Die „Urahnin der Feministinnen“bleibt aktuell
100 Jahre nach der Einführung des Wahlrechts hat der dtv-Verlag das Werk der Vorkämpferin de Gouges neu aufgelegt.
WIEN. Olympe de Gouges war ihrer Zeit weit voraus. Als sie 1791 in Paris ein kleines Büchlein mit dem Titel „Die Rechte der Frau“auflegte, galten ihre Forderungen noch als „unerhörte Alternative“zur nur zwei Jahre zuvor von der französischen Nationalversammlung verabschiedeten Erklärung der Menschenrechte. „Die Frau ist frei geboren und dem Manne gleich an Rechten“, stellte die Autorin und Revolutionären im ersten Artikel ihrer Schrift fest. In Anlehnung an die Erklärung der Menschenrechte enthielt sie 17 Artikel, umrahmt von einem Vorund einem Nachwort.
De Gouges, die im Alter von 19 Jahren gegen ihren Willen verheiratet wurde und 1791 bereits verwitwet war, legte sich nicht nur auf die Rechte der Frau fest, sie nahm ihr Geschlecht auch in die Pflicht. „Keine Frau hat Sonderrechte“, forderte sie ein, dass beide Geschlechter vor dem Gesetz gleichgestellt sein müssten, auch wenn es um Verstöße und Strafen geht. Implizit forderte de Gouges in ihrer Erklärung auch das Wahlrecht, wenn sie sagte: „Das Gesetz muss der Ausdruck des Gemeinwillens sein; alle Bürgerinnen und Bürger müssen persönlich oder durch ihre Vertreter an seiner Bildung mitwirken.“
Hundert Jahre nachdem Frauen in Österreich und Deutschland tatsächlich das Wahlrecht erhalten haben, veröffentlichte der dtv-Verlag nun eine Neuausgabe von de Gouges’ zentralem Werk, übersetzt und erläutert von der Historikerin Gisela Bock, Expertin für Europäische Geschichte und Geschlechtergeschichte.
De Gouges, die „Urahnin der Feministinnen“, habe in ihrem Werk „fast alle Fragen aufgeworfen, welche die Zukunft der Frauen prägen sollten“, konstatiert Bock. Der Forderungskatalog erstreckt sich von Rechten für uneheliche Kinder und deren Mütter bis hin zum Entwurf eines „Gesellschaftsvertrags zwischen Mann und Frau“, der in den Grundzügen einem Ehevertrag ähnlich ist. Eine der Kernaussagen ist das gleiche Recht auf Eigentum von Männern und Frauen sowie die Gütertrennung bei der Auflösung einer Ehe, weil die Frau davor meist keine Möglichkeit gehabt hat, erwerbstätig zu sein.
De Gouges’ bekanntestes Zitat zielt auf das Recht der Meinungsäußerung: „Die Frau hat das Recht, das Schafott zu besteigen; sie muss gleichermaßen das Recht haben, die Rednerbühne zu besteigen.“
Wegen ihrer politischen Schriften und ihrer Kritik an Robespierre wurde die Revolutionärin selbst im November 1793 zum Tod auf dem Schafott verurteilt. In ihrem Prozess wurde sie als „Femme des Lettres“bezeichnet, als „Frau der Buchstaben“. In Paris hatte sie diesem Namen alle Ehre gemacht, mit Theaterstücken, politischen Broschüren, die in Auflagen bis zu 2000 Stück erschienen, und mit Plakaten, die sie an Hauswände klebte. Mehr als 150 Titel umfasst ihr Gesamtwerk, das nach ihrem Tod nahezu vergessen wurde. Erst in den 1960er-Jahren entdeckten Forscherinnen und Forscher ihre Schriften wieder.
Vermacht hat de Gouges der Nachwelt nicht nur „ein Schlüsseldokument in der Geschichte der Frau, der Frauenbewegung und des feministischen Denkens“, wie die Historikerin Bock „Die Rechte der Frau“bezeichnet. Wie die Französin selbst in ihrem politischen Testament niederschrieb, wollte sie ihr Herz dem Vaterland vermachen und ihre Redlichkeit den Männern – „sie haben sie nötig“. Olympe de Gouges:
„Meine Redlichkeit vermach ich den Männern. Sie haben sie nötig.“