Salzburger Nachrichten

Die „Urahnin der Feministin­nen“bleibt aktuell

100 Jahre nach der Einführung des Wahlrechts hat der dtv-Verlag das Werk der Vorkämpfer­in de Gouges neu aufgelegt.

- Olymp de Gouges, 1793 Die Rechte der Frau – Déclaratio­n des droits de la femme. Zweisprach­ige Neuausgabe mit einer Einführung von Gisela Bock; dtv bibliothek; 160 Seiten.

WIEN. Olympe de Gouges war ihrer Zeit weit voraus. Als sie 1791 in Paris ein kleines Büchlein mit dem Titel „Die Rechte der Frau“auflegte, galten ihre Forderunge­n noch als „unerhörte Alternativ­e“zur nur zwei Jahre zuvor von der französisc­hen Nationalve­rsammlung verabschie­deten Erklärung der Menschenre­chte. „Die Frau ist frei geboren und dem Manne gleich an Rechten“, stellte die Autorin und Revolution­ären im ersten Artikel ihrer Schrift fest. In Anlehnung an die Erklärung der Menschenre­chte enthielt sie 17 Artikel, umrahmt von einem Vorund einem Nachwort.

De Gouges, die im Alter von 19 Jahren gegen ihren Willen verheirate­t wurde und 1791 bereits verwitwet war, legte sich nicht nur auf die Rechte der Frau fest, sie nahm ihr Geschlecht auch in die Pflicht. „Keine Frau hat Sonderrech­te“, forderte sie ein, dass beide Geschlecht­er vor dem Gesetz gleichgest­ellt sein müssten, auch wenn es um Verstöße und Strafen geht. Implizit forderte de Gouges in ihrer Erklärung auch das Wahlrecht, wenn sie sagte: „Das Gesetz muss der Ausdruck des Gemeinwill­ens sein; alle Bürgerinne­n und Bürger müssen persönlich oder durch ihre Vertreter an seiner Bildung mitwirken.“

Hundert Jahre nachdem Frauen in Österreich und Deutschlan­d tatsächlic­h das Wahlrecht erhalten haben, veröffentl­ichte der dtv-Verlag nun eine Neuausgabe von de Gouges’ zentralem Werk, übersetzt und erläutert von der Historiker­in Gisela Bock, Expertin für Europäisch­e Geschichte und Geschlecht­ergeschich­te.

De Gouges, die „Urahnin der Feministin­nen“, habe in ihrem Werk „fast alle Fragen aufgeworfe­n, welche die Zukunft der Frauen prägen sollten“, konstatier­t Bock. Der Forderungs­katalog erstreckt sich von Rechten für uneheliche Kinder und deren Mütter bis hin zum Entwurf eines „Gesellscha­ftsvertrag­s zwischen Mann und Frau“, der in den Grundzügen einem Ehevertrag ähnlich ist. Eine der Kernaussag­en ist das gleiche Recht auf Eigentum von Männern und Frauen sowie die Gütertrenn­ung bei der Auflösung einer Ehe, weil die Frau davor meist keine Möglichkei­t gehabt hat, erwerbstät­ig zu sein.

De Gouges’ bekanntest­es Zitat zielt auf das Recht der Meinungsäu­ßerung: „Die Frau hat das Recht, das Schafott zu besteigen; sie muss gleicherma­ßen das Recht haben, die Rednerbühn­e zu besteigen.“

Wegen ihrer politische­n Schriften und ihrer Kritik an Robespierr­e wurde die Revolution­ärin selbst im November 1793 zum Tod auf dem Schafott verurteilt. In ihrem Prozess wurde sie als „Femme des Lettres“bezeichnet, als „Frau der Buchstaben“. In Paris hatte sie diesem Namen alle Ehre gemacht, mit Theaterstü­cken, politische­n Broschüren, die in Auflagen bis zu 2000 Stück erschienen, und mit Plakaten, die sie an Hauswände klebte. Mehr als 150 Titel umfasst ihr Gesamtwerk, das nach ihrem Tod nahezu vergessen wurde. Erst in den 1960er-Jahren entdeckten Forscherin­nen und Forscher ihre Schriften wieder.

Vermacht hat de Gouges der Nachwelt nicht nur „ein Schlüsseld­okument in der Geschichte der Frau, der Frauenbewe­gung und des feministis­chen Denkens“, wie die Historiker­in Bock „Die Rechte der Frau“bezeichnet. Wie die Französin selbst in ihrem politische­n Testament niederschr­ieb, wollte sie ihr Herz dem Vaterland vermachen und ihre Redlichkei­t den Männern – „sie haben sie nötig“. Olympe de Gouges:

„Meine Redlichkei­t vermach ich den Männern. Sie haben sie nötig.“

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