Raubkunst entfacht eine harte Debatte
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron will früheren Kolonien Kunstwerke zurückgeben. Heute tagen Experten.
BERLIN. Es war ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit: Tausende und Abertausende jüdische Kunstsammler wurden von den Nazis skrupellos ihrer Schätze beraubt oder mussten sie zwangsweise weit unter Wert verkaufen. Dennoch dauerte es nach Kriegsende mehr als ein halbes Jahrhundert, bis sich zahlreiche Staaten verpflichteten, im Umgang mit NS-Raubgut eine Lösung zu finden.
20 Jahre nach der Verabschiedung der „Washingtoner Erklärung“vom 3. Dezember 1998 kommen nun in Berlin rund 1000 Experten aus aller Welt zu einer Bestandsaufnahme zusammen. Auf Einladung des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste in Magdeburg wollen sie von heute, Montag, an zwei Tage lang über Chancen und Herausforderungen der Provenienzforschung beraten – unter dem Motto „Wege in die Zukunft“. Eine harte Debatte ist garantiert. Denn zur Eröffnung im Haus der Kulturen der Welt wird Ronald Lauder erwartet, der Präsident des World Jewish Congress, der die Interessen der Opfer und ihrer Erben vertritt. Der USUnternehmer hatte Deutschland erst kürzlich wieder vorgeworfen, trotz seiner historischen Verantwortung viel zu wenig für die Suche nach NS-Raubkunst zu tun.
Hinzu kommt, dass auch die Diskussion über den Umgang mit dem kolonialen Erbe durch einen Bericht aus Frankreich neue Brisanz bekommen hat. Am Freitag hat Staatschef Emmanuel Macron beschlossen, 26 Werke an den westafrikanischen Staat Benin zurückzugeben. In dem von Macron in Auftrag gegebenen Report hatte die Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy empfohlen, praktisch alle Kunstwerke aus der Kolonialzeit an die Herkunftsländer in Afrika zurückzugeben. Savoy ist in Berlin als Rednerin angesagt.
Laut Schätzungen befinden sich 85 bis 90 Prozent des afrikanischen Kulturerbes in Europa. Allein in den Sammlungen des Pariser Musée Quai Branly sollen sich rund 70.000 Artefakte aus Subsahara-Afrika befinden, mehr als 17.000 in rund 100 weiteren Museen. Mit Spannung wird erwartet, ob Deutschland sich den französischen Rückgabeplänen anschließt.
In Österreich wurde vor 20 Jahren die Kommission für Provenienzforschung gegründet, die im Bundeskanzleramt angesiedelt ist. Sie sucht die rechtmäßigen Besitzer von Kunstobjekten, die ihnen in der NS-Zeit geraubt wurden. In 300 Fällen wurden bis jetzt rund 30.000 Gegenstände zurückgegeben. Zuständig ist die Kommission für alle Bundesmuseen, dazu gehören neben dem Kunsthistorischen Museum die Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste, die Albertina, das Belvedere, die Österreichische Nationalbibliothek und das Technische Museum.