Hartes Ringen um Streik auf der Schiene
Die Bahn will wissen, wer streikt. Der ÖGB nennt das Einschüchterung. Wird heute gestreikt, dürfte auf der Schiene ab Mittag nichts mehr gehen.
SALZBURG. Ob heute, Montag, zwischen 12 und 14 Uhr österreichweit alle Züge stillstehen, darüber trauten sich am Sonntag weder Arbeitgeber noch Gewerkschaft eine Prognose abzugeben. Man sei bereit zu verhandeln, betonten beide Seiten und trafen Sonntagabend zu einem Gespräch zusammen. Montagvormittag soll es einen letzten Einigungsversuch geben.
Fakt ist: Der Konflikt zwischen Bahngewerkschaft und Arbeitgebern hat sich am Wochenende weiter verschärft. Grund dafür war vor allem, dass die Bahnbetreiber – allen voran die ÖBB – Namen wollten, wer von den Mitarbeitern am Streik teilnimmt. Wegen der „Einschüchterungsversuche“beschloss auch der Betriebsrat der privaten Westbahn, anders als zunächst angekündigt am Streik teilzunehmen. Die Bahnmitarbeiter verlangen wie berichtet angesichts steigender Produktivität ein kräftiges Lohnplus.
Das Westbahn-Management interpretierte das anders. Man lasse sich einen Streik durch den ÖGB nicht aufzwingen. Mit Ausnahme der Betriebsräte müsse jeder Mitarbeiter selbst entscheiden, ob er Streikmaßnahmen setze, betonte eine Sprecherin. Und wie auch die ÖBB will die Westbahn exakt wissen, welche Mitarbeiter an dem Streik teilnehmen, heißt es laut Gewerkschaft in einem Schreiben des Managements an die Mitarbeiter.
Auch den ÖBB wirft die Gewerkschaft Einschüchterung der Mitarbeiter vor. Konkret sollen sämtliche Führungskräfte angewiesen worden sein, teilnehmende Mitarbeiter namentlich zu erfassen und zu melden. „Für den Fall, dass Sie doch teilnehmen, ist die Abmeldung bei Ihrer Führungskraft zur Aufrechterhaltung des Bahnbetriebs unbedingt erforderlich“, heißt es in dem Mail. Roman Hebenstreit, Vorsitzender der Gewerkschaft vida, sieht darin den Versuch, die Öffentlichkeit aufzuhetzen und die Belegschaft einzuschüchtern. „Das sind Einschüchterungsversuche, von denen sich die Beschäftigten nicht beirren lassen und die sicher nicht zur Entspannung der verfahrenen Situation beitragen werden“, betonte ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian. Die ÖBB widersprechen. „Es liegt in der Verantwortung des Unternehmens, zu wissen, wer sich am Streik beteiligt, um gerade in und für sicherheitsrelevante Bereiche Ersatz stellen zu können“, so ein ÖBBSprecher. Das betont auch Arbeitgeber-Chefverhandler Thomas Scheiber: Ob im Stellwerk oder der Fahrdienstleitung – hier müsse die Bahn aus Sicherheitsgründen wissen, was vor sich geht. „Ob ein Buchhalter oder Schaffner die Arbeit niederlegt, ist sicher nicht relevant.“
Verhindern kann ein Unternehmen einen Streik nicht. Zwar ist ein Recht auf Streik in Österreich nicht gesetzlich geregelt. Laut Ansicht der Gewerkschaft ist das Recht auf Streik aber in der Menschenrechtskonvention verankert und damit verfassungsrechtlich geschützt. „Allerdings: Einen Anspruch auf Entlohnung gibt es während eines Streiks nicht“, erklärt Thomas Berger, vida-Geschäftsführer in Salzburg. Dafür gibt es den Streikfonds der Gewerkschaft. Über einen Antrag bekommen Gewerkschaftsmitglieder, die am Streik teilnehmen, somit einen Ersatz, allerdings nicht in voller Höhe ihres Gehalts. Einen Unterschied zwischen kürzerem Warnstreik und Streik etwa über eine ganze Schicht hinweg gebe es dabei nicht. Anders sei das bei einer Betriebsversammlung, erklärt Berger. Da ist das Recht auf Betriebsversammlung im Arbeitsrecht geregelt. Recht auf Bezahlung gibt es allerdings auch da keines, und hier springt auch die Gewerkschaft nicht ein. „Das wird in den Unternehmen sehr unterschiedlich gehandhabt, je nach Betriebsklima.“
„Wir müssen wissen, wer arbeitet.“Thomas Scheiber, Arbeitgeber-Verhandler