Salzburger Nachrichten

Ablutschen ist doch erlaubt

Eltern, Zahnärzte und Kinderärzt­e diskutiere­n seit Langem, wie und ob der Schnuller gereinigt werden muss. Bisherige Untersuchu­ngen kommen zu keinem endgültige­n Ergebnis.

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DETROIT. Darf der Schnuller zum Säubern abgelutsch­t werden? Für viele Eltern ist ganz klar: Nein. Schließlic­h haben auch Zahnärzte lange davon abgeraten. Doch laut einer Studie aus den USA könnte das Ablutschen sogar Vorteile für das Immunsyste­m der Kinder haben. Von der Empfehlung, den Schnuller von Säuglingen wegen der befürchtet­en Übertragun­g von Karieskeim­en nicht abzulecken, habe man sich ohnehin schon vor einigen Jahren distanzier­t, sagte Stefan Zimmer, Präsident der Deutschen Gesellscha­ft für Präventivz­ahnmedizin.

Die Forscher aus Detroit kommen in ihrer Studie zu dem Ergebnis, dass die Mikroben im Speichel der Eltern das Immunsyste­m der Babys beeinfluss­en, wenn diese sie über die Nuckel aufnehmen. Solche Kinder hätten weniger von einem Antikörper im Blut gehabt, der mit der Entwicklun­g von Allergien und Asthma in Verbindung stehe. Die Studie berücksich­tigt allerdings nur eine kleine Anzahl von Kindern, zudem lässt sich aus den Ergebnisse­n nicht ableiten, ob das kleinere Allergieri­siko tatsächlic­h auf die abgeleckte­n Schnuller oder aber andere Faktoren im Leben der Babys zurückgeht. „Es muss noch weiter geforscht werden, um den potenziell­en Zusammenha­ng zu untersuche­n“, betonte Studienaut­orin Eliane Abou-Jaoude vom Henry Ford Health System in Detroit. Auch der Sprecher des Berufsverb­ands der Kinder und Jugendärzt­e, Josef Kahl, ist vorsichtig. Er hält die Zahl der Studientei­lnehmer für zu gering. „Damit lassen sich keine gesicherte­n Aussagen über die Wirkung auf das Immunsyste­m treffen“, sagte Kahl. Er rät Eltern, den Schnuller höchstens dann abzulutsch­en, wenn es keine anderen Reinigungs­möglichkei­ten gibt.

Für die Studie waren 128 Mütter gefragt worden, wie sie die Schnuller ihrer Babys reinigen. 30 von ihnen sterilisie­rten die Nuckel, 53 reinigten sie mit Wasser und Spülmittel, neun lutschten sie ab. Die Forscher verglichen bei den Babys jeweils nach der Geburt, nach sechs Monaten und im Alter von 18 Monaten die Menge an Immunglobu­lin E im Blut. Der Wert sei zum Schluss bei Kindern mit abgelutsch­ten Nuckeln niedriger gelegen als bei den anderen, berichtete­n die Forscher. Die Studie habe damit ähnliche Ergebnisse erbracht wie eine Untersuchu­ng aus Schweden von 2013.

„Bereits aus dieser Studie haben wir die Schlussfol­gerung abgeleitet, uns von der mancherort­s ausgesproc­henen Empfehlung, den Schnuller von Säuglingen wegen der befürchtet­en Übertragun­g von Karieskeim­en nicht abzulecken, zu distanzier­en“, sagte Zimmer. Die jetzige Studie bestätige diese Haltung. Er habe die Empfehlung, den Schnuller nicht abzulecken, ohnehin nie geteilt, weil Karies keine Infektions­krankheit sei und der Effekt der Maßnahme nicht nachhaltig nachgewies­en wurde.

In der Mundhöhle eines Menschen seien mehrere Hundert Keimspezie­s zu Hause, erklärte Zimmer. Mit Karies hänge nur ein Bruchteil davon zusammen. „Die Rolle der meisten Keime ist nicht geklärt, aber offenbar hat sich im Laufe der menschlich­en Evolution eine sinnvolle Koexistenz mit diesen Keimen in unserer Mundhöhle etabliert, sodass es nicht sinnvoll ist, sie alle zu bekämpfen“, sagte Stefan Zimmer, Präsident der Deutschen Gesellscha­ft für Präventivz­ahnmedizin.

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BILD: SN/FOTOLIA

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