Keine Pestizide mehr: Der Lungau soll giftfrei werden
Der Spritzmitteleinsatz steigt in Österreich von Jahr zu Jahr. Eine Region aber widersetzt sich dem Trend: Der Lungau könnte die erste Region ohne Gift werden.
Peter Löcker hat ein klares Ziel vor Augen: Im Lungau soll kein Gift mehr auf die Felder kommen. „Ich sehe das als Riesenchance, den Lungau nach vorn zu bringen“, sagt der Biobauer vom Sauschneider-Hof in St. Margarethen.
Löcker ist in der Region bekannt als ein Vorkämpfer für Windenergie und Biosphärenpark. Die jüngste Idee, die er mit Gleichgesinnten vorantreibt, zielt darauf ab, den ganzen Bezirk zur giftfreien Zone zu erklären. Die Vorteile aus seiner Sicht: Die Direktvermarkter hätten ein weiteres Verkaufsargument, Imker könnten Honig aus einer „bienenfreundlichen“Region anbieten, Touristiker könnten die Region entsprechend bewerben. Außerdem wäre ein Giftverzicht positiv für Grundwasser und Boden. Die Voraussetzungen sei- en gut, sagt Löcker. „60 Prozent der Landwirte im Lungau sind bereits Biobauern. Bei uns spritzen nur zwei Eachtling-Bauern. Und im Grünland setzen ein paar Glyphosat zur Unkrautbekämpfung ein – da wird verschwindend wenig gemacht.“Ein paar Gemeinden verzichteten bereits auf das Pestizid Glyphosat. Man müsse jetzt die anderen Gemeinden noch überzeugen und den Handel so weit bringen, auf den Spritzmittelverkauf zu verzichten.
Zum Vorbild hat sich die Initiative die Gemeinde Mals in Südtirol genommen. Dort wollen engagierte Bürger gemeinsam mit der Ortspolitik erreichen, dass Mals die erste pestizidfreie Gemeinde Europas wird. Allerdings gibt es heftige Gegenwehr der Agrarlobby – jetzt muss ein Verwaltungsgericht entscheiden, ob die Gemeinde das Verbot durchsetzen kann. „Wir glauben, dass der Einsatz von Pestiziden unserer Gesundheit schadet“, sagt der Malser Bürgermeister Ulrich Veith im SN-Gespräch. Außerdem seien die Pestizide ein Problem für die Biobauern, „weil wir immer wieder Abdrift haben – also Rückstände auf fremden und öffentlichen Grundstücken“.
Die Lungauer Öko-Initiative hat es da leichter – sie wird auch vom Biosphärenpark-Management unterstützt. Ein giftfreier Lungau wäre ein Projekt „im Sinne des Biosphärenparks“, sagt dessen Leiter Markus Schaflechner. Er sei „guter Dinge“, das man dieses Ziel erreichen könne. „Wir wollen dazu Expertinnen und Experten holen und Vorträge organisieren.“
Ein giftfreier Bezirk wäre ein Novum – und ein Zeichen gegen den Trend. Denn in Österreich ist der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Österreichweit stiegen die in Verkehr gebrachten Wirkstoffmengen von 3100 Tonnen (2013) auf mehr als 4600 Tonnen im Vorjahr.
Auf den konventionellen Feldern werde heute „mehr gespritzt denn je“, sagt der aus dem Lungau stammende PestizidExperte Johann Zaller von der Universität für Bodenkultur. Gespritzt werde vor allem im Weinund Obstbau. Ein konventioneller Apfel wird, bevor er gegessen wird, laut deutschen Studien im Schnitt mit 31,8 Pestiziden behandelt.
Die möglichen langfristigen Auswirkungen auf die Gesundheit seien nicht zu unterschätzen, betont der Ökologe. „Es gibt Pestizide, die Parkinson hervorrufen. Und es gibt Pestizide, wo im Beipacktext steht, dass sie Krebs erregen können.“Von einem Giftverzicht würde der Lungau jedenfalls sehr profitieren: „Es wäre ein aufgelegter Elfer.“