Die Hoffnung stirbt zuerst
Warum die „Friedensgespräche“der jemenitischen Kriegsparteien auch dieses Mal keinen Durchbruch bringen werden.
STOCKHOLM. Nach mehr als vier Jahren verheerenden Krieges im Jemen haben die mit Spannung erwarteten neuen Friedensgespräche für das Bürgerkriegsland begonnen. „Ich bin sicher, wir werden eine Botschaft des Friedens senden“, sagte UNO-Vermittler Martin Griffiths zum Auftakt des Treffens zwischen Regierung und Rebellen am Donnerstag in Schweden. Er lobte die Zeichen der Deeskalation beider Seiten in den vergangenen Wochen und kündigte die Unterzeichnung einer Einigung über einen Gefangenenaustausch an. „Es wird dazu führen, dass Tausende Familien wieder vereint sind.“
Politische Beobachter halten hingegen die Bereitschaft der Konfliktparteien, das Blutvergießen zu beenden, für äußerst gering.
Im Jemen kämpfen die vom Iran unterstützten Huthis gegen die Regierung, die von einer saudisch geführten Koalition unterstützt wird. Das Bündnis hat mit seinen Luftangriffen maßgeblich zur Eskalation beigetragen.
„Sturm der Entschlossenheit“hieß die Militäroperation, mit der die vom saudischen Thronfolger Mohammed bin Salman (MBS) geführte Allianz sunnitischer Staaten im März 2015 „innerhalb von drei Wochen“die Huthi-Rebellen wieder aus Sanaa vertreiben wollte. Als einen Monat später die Rebellen die Hauptstadt des Jemens noch immer kontrollierten und danach auch den Hafen Hodeida eroberten, startete Riad die Operation „Wiederherstellung der Hoffnung“.
Das Ergebnis ist verheerend: Mit 20 Millionen vom Hungertod bedrohten Menschen erlebe das arabische Land die „schlimmste humanitäre Krise der Welt“, hatte UNO-Generalsekretär António Guterres bereits Anfang April gewarnt. Zwei Monate später begann die „arabische Koalition“die Operation „Goldener Sieg“. Ziel war die Rückeroberung von Hodeida.
Der für 28 Millionen Jemeniten überlebenswichtige Hafen wäre heute wohl zerstört. Durch den Mord an dem saudischen Journalisten Jamal Khashoggi rückte der „vergessene Krieg“im Jemen aber plötzlich wieder in den Blickpunkt der Weltöffentlichkeit. Ein Weiterwie-bisher war nicht mehr möglich. Mit Khashoggi als Druckmittel gelang es der internationalen Staatengemeinschaft, die Saudis und ihre Verbündeten zur Teilnahme an „Friedensgesprächen“zu überreden. Freiwillig wäre MBS dazu niemals bereit gewesen. Mit der Zustimmung zu Verhandlungen unter UNO-Vermittlung hat sich die Konzessionsbereitschaft des Kronprinzen erschöpft. Während die Huthis das Ende der saudischen Totalblockade im Rahmen einer politischen Einigung verlangen, setzt der Kronprinz noch immer auf „die militärische Lösung“. Sein Land fordert erneut den Abzug der Huthis aus der Hauptstadt Sanaa und die Wiedereinsetzung der von den Rebellen gestürzten Regierung. Dass eine Rückkehr zum Status quo ante nach bald vier Kriegsjahren nicht mehr möglich ist, will Riad nicht erkennen.
Zu groß ist die Angst vor einer Umklammerung durch die Iraner, deren Rolle im Jemen-Konflikt nach Einschätzung vieler Experten überschätzt wird.
Die Huthis seien „keine Befehlsempfänger Teherans“, sondern unabhängige Akteure, die eigenständig für ihre lokalen Bereiche entscheiden würden, betont etwa Guido Steinberg von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik. Es gebe keine Belege dafür, dass die Huthis als Stellvertreter des Irans handelten, sagt auch die Jemen-Expertin Mareike Transfeld.
Unglücklich über die Widerstandsfähigkeit der Huthis ist man in Teheran aber sicherlich nicht. Schließlich beschert der Krieg im Jemen dem saudischen Erzfeind hohe humanitäre und finanzielle Verluste – und schadet seinem Ansehen nachhaltig.
Aus der Sicht Teherans kann dies so weitergehen. Für die Saudis wiederum ist der gegenwärtige Zustand unhaltbar. Für sie muss der Krieg im Jemen mit einem Sieg zu Ende gehen. Zugeständnisse an die Huthis könnten als Schwäche interpretiert werden.
„Der politische Wille zur Beendigung der Kämpfe ist auf beiden Seiten ebenso wenig zu erkennen wie die Bereitschaft zu signifikanten Konzessionen an die Gegenseite“, sagte Murad Alazzany, Politologieprofessor an der Universität von Sanaa, im Gespräch mit dem arabischen Fernsehsender Al-Dschasira. Da die meisten westlichen Staaten zudem einen Waffenboykott gegen Saudi-Arabien ablehnten, werde der Krieg im Jemen wohl auf unbestimmte Zeit fortgesetzt werden.