Pannenserie bei berittener Polizei
Ein Prozess um fahrlässige Körperverletzung einer Polizeireiterin zeigt ein Sittenbild der Exekutive: Sieben Polizisten erstatteten keine Anzeige, Beweismittel wurden vernichtet und zwei Fotografen machten keine Bilder vom Unfallgeschehen.
Wegen fahrlässiger Körperverletzung musste sich am Donnerstag Roland P., ehemaliger Ausbildungsleiter für die geplante berittene Polizeieinheit, vor dem Bezirksgericht in Wiener Neustadt verantworten. Die Bezirksanwältin machte den 48-jährigen Bundesheer-Oberstleutnant in ihrem Strafantrag dafür verantwortlich, dass eine Reitschülerin am 19. Juli im Zuge der Ausbildung vom Pferd fiel und sich dabei das linke Schlüsselbein brach. Demnach hätte P. wissen müssen, dass sich auf der Pferdesportanlage in der Militärakademie in Wiener Neustadt insgesamt 17 Löcher befinden, und die Polizistin davor warnen müssen.
Das Pferd des Unfallopfer war in eines dieser Löcher getreten und gestürzt. „Vielleicht haben wir den Falschen hier vor Gericht sitzen“, stellte Bezirksrichterin Renate Schober nach kurzer Verhandlungsdauer fest. Denn Projektleiter der berittenen Polizei ist Hannes Steiner, Mitarbeiter im Kabinett von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ). Möglicherweise hätte er den ordnungsgemäßen Zustand des Geländes überprüfen müssen, als das Innenministerium Mitte Juni die drei Hektar große Trainingsanlage vom Verteidigungsministerium übernahm. Die Richterin will nun die Verantwortlichkeiten prüfen, der Prozess wurde vertagt.
Jedenfalls schilderte Roland P. wie chaotisch es anfangs bei der berittenen Polizei zuging. Steiner habe den Auftrag gegeben, Pferde anzuschaffen, ohne für die Infrastruktur Sorge zu tragen. „Es gab weder Futter, Sättel noch geeignete Reiter für die angekauften Pferde. Die Anlage wurde übernommen ohne Schaufel oder Geräte für die Pflege“, so der Angeklagte. Der Heeressportverein, in dem auch er reite, habe dem Innenministerium mit Pflegern, Einstreu und Futter ausgeholfen. Bis zum Unfall habe keine kommissionelle Begehung der gesamten Anlage durch das Innenministerium stattgefunden.
Das änderte sich nach dem Sturz der „sehr schwachen Reiterin“(Roland P.) schnell. Revierinspektor Steiner habe sofort den Auftrag erteilt, noch am selben Tag alle Löcher mit Deckeln zu verschließen, um weitere Unfälle zu vermeiden. Es habe keine Bedenken seitens Steiners gegeben, dass die Löcher verschlossen wurden, bevor Spuren gesichert waren. Obwohl an der Unfallstelle sieben Polizisten anwesend waren, wurde keine Anzeige erstattet. Erst das Spital, in dem die Polizeireiterin behandelt wurde, habe acht Tage später offiziell die Polizei verständigt. Drei Polizisten erschienen als Zeugen in Dienstuniform mit Waffe vor Gericht – darunter die Verunfallte. „Ein Fotograf war der Erste vor Ort, der sich das Loch angeschaut hat. Er hat den Fuß hineingestellt. Es war sehr tief, er ist bis zum Knie im Loch gestanden“, sagte das Unfallopfer. Der Polizeifotograf und seine Kollegin, beide sind dem Innenministerium dienstzugeteilt, machten zufällig zur selben Zeit Fotos von Polizeireitern am Sprungparcours. Als der Unfall passierte, hätten sie das Fotografieren eingestellt, schilderte der 51-Jährige. Sie hätten weder vom Sturz noch vom Loch oder den anderen Löchern Aufnahmen gemacht. „Es gab den Auftrag, nur positive Fotos zu machen.“
Vier Tage nach dem Unfall sei mit Thomas Maier ein neuer Verantwortlicher für die gesamte Ausbildung der Polizeireiter bestellt worden, erzählte Roland P. Seine Dienstzuteilung, die eigentlich bis Jahresende geplant gewesen wäre, sei mit 30. September ausgelaufen. Er ist jetzt wieder für den Fuhrpark beim Bundesheer verantwortlich.