EU-Arbeitsbehörde bleibt zahnlos
Sozialminister einigen sich nur auf Agentur mit Koordinierungsfunktion.
BRÜSSEL. Die EU-Sozialminister haben sich am Donnerstag mit großer Mehrheit (nur Ungarn und Schweden stimmten dagegen) auf die Einrichtung einer Europäischen Arbeitsagentur verständigt. Sie soll bei Verstößen gegen Arbeitsrecht, etwa bei Entsendungen, eingreifen. Die EU-Kommission – und Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in seiner Rede zur Lage der Union – hatte zwar eine echte Behörde mit Eingriffsmöglichkeiten vorgeschlagen. Etliche EU-Staaten lehnen das als möglichen Eingriff in nationale Befugnisse ab.
Jetzt geht es um mehr Informationsaustausch und Koordinierung zwischen den nationalen Behörden. Die Teilnahme an den meisten Aktivitäten und vor allem an Kontrollen erfolgt nun freiwillig. „Die Europäische Arbeitsagentur wird es Arbeitnehmern und Arbeitgebern erleichtern, mit den komplexen Aspekten von grenzüberschreitender Arbeitsmobilität umzugehen“, sagte Sozialministerin Beate HartingerKlein, die derzeit den Vorsitz unter ihren Ressortkollegen innehat. „Es ist wichtig, dass man in Europa voneinander weiß, um gegen Kriminalität im Sozialbereich, im Bereich der Arbeitsmarktpolitik vorgehen zu können“, so der deutsche Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Das Thema ist heikel, denn in vielen Fällen geht es um Billigarbeitskräfte aus osteuropäischen EUStaaten, die Arbeitsbedingungen gegen alle Regeln in anderen EULändern akzeptieren, weil sie dort mehr verdienen. Nach Schätzungen arbeiten heute 16 Mill. Europäer in einem anderen Land als dem, in dem sie geboren wurden – doppelt so viele wie noch vor zehn Jahren.
Im EU-Parlament, das noch zustimmen muss, hat der zuständige Beschäftigungsausschuss den Vorschlag der EU-Kommission noch verschärft. Ob das Plenum dem zustimmt, ist aber unklar. Für SPÖDelegationsleiterin Evelyn Regner ist der gestrige Kompromiss ein „verwässertes Bürokratiemonster“. Sie wiederholte die Forderung ihrer Partei, die neue Behörde nach Österreich zu holen, „wenn sie Durchgriffsrechte bekommt“. Österreich würde von strengeren Kontrollen profitieren, so Regner, da es an der Schnittstelle zu den Ländern mit starkem Lohngefälle und im Zentrum von Lohn- und Sozialdumping liege. Der ÖVP-Europa-Abgeordnete Heinz Becker ist grundsätzlich skeptisch: Es gebe bereits vier Agenturen in der EU, die mit Arbeit zu tun hätten. Es wäre sinnvoller, deren Ressourcen besser zu nutzen, als neue Bürokratie zu schaffen.
Die EU-Kommission lobte die Einigung und hofft, dass der endgültige Beschluss in den nächsten Monaten gelingt und die Arbeitsagentur noch 2019 starten kann.