Salzburger Nachrichten

Blutgefäße stellen sich auf „weit“

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WIEN. Geselliges Treffen zum Punschtrin­ken auf dem Christkind­lmarkt. Keine Seltenheit in diesen Tagen. Sie sind gerade sehr kurz. Es wird deprimiere­nd früh dunkel, und da bietet sich ein kleiner Absacker auf dem Heimweg auf einem der herrlich funkelnden oder romantisch beleuchtet­en Adventmärk­te ja nahezu an. Kalt ist es, die Finger sind klamm und ein Häferl mit heißem Punsch oder Glühwein ist genau das Richtige, um sich aufzuwärme­n, zu plaudern und vielleicht schnell warme Handschuhe für den Liebsten zu besorgen.

Doch Mediziner warnen: Alkohol wärmt nicht. Im Gegenteil. Er lässt uns nach einer Weile sogar frieren. Und Konsumente­nschützer sagen nach einer kleinen Untersuchu­ng auf Österreich­s Adventmärk­ten: Ob Punsch oder Glühwein, sie sind alle viel zu süß.

Das wohlige Gefühl am Punschstan­d ist also trügerisch. Alkohol erzeugt ein subjektive­s Wärmegefüh­l. Er bewirkt, dass sich die Gefäße weit stellen. Dadurch werden unter anderem Hände und Gesicht stärker durchblute­t und es stellt sich das typische wohlige Wärmegefüh­l ein. Dadurch, dass der Glühwein oder der Punsch heiß ist, verstärkt sich dieses Gefühl noch. Doch letztlich kühlt Alkohol den Körper aus. Denn die Gefäße, die sich normalerwe­ise automatisc­h verengen, wenn sie Kälte wahrnehmen, sind nach wie vor auf „weit“gestellt, auch wenn der Körper bereits langsam auskühlt. Trinkt man nur einen Becher heißen Punsch, wird das vermutlich nicht viel schaden. Gefährlich wird es, wenn man sich an Wintertage­n im Freien richtig berauscht. Winterlich­e Temperatur­en sind daher lebensgefä­hrlich für Obdachlose, die keine Unterkunft haben, sondern betrunken auf der Straße schlafen.

Der übermäßige Alkoholkon­sum zur Weihnachts­zeit ist dem Verein „Alkohol ohne Schatten“schon lange ein Dorn im Auge. Suchtexper­te Alfred Musalek, Präsident des Vereins, mahnt: „Wir leben in einer Erfolgsges­ellschaft. Auch große Alkoholmen­gen zu trinken wird als Erfolg gewertet, und das bedeutet auch sozialen Druck.“

„Sind unsere Festtage wirklich so bedrohlich, dass sich viele Menschen deshalb besonders häufig betrinken müssten“, fragt er. Die Menschen hätten es offenbar verlernt, Feste zu feiern, ohne sich dabei mit Alkohol zu narkotisie­ren.

Der Verein wünscht sich deshalb Punschstän­de mit alkoholfre­ien Getränken. Die Punschstan­d-Betreiber könnten zum Beispiel freiwillig den Alkohol- und Zuckergeha­lt ihrer Getränke ausweisen, um beim Konsumente­n das Bewusstsei­n für die möglichen Folgen zu schärfen. Eine rechtliche Auszeichnu­ngspflicht besteht derzeit nicht.

Fachleute des Konsumente­nschutzver­eins haben indes 14 Glühweinst­andl in Wien besucht und Glühweinpr­oben gezogen. Das Ergebnis überrascht­e selbst die Tester: Pro Tasse fanden sie im Durchschni­tt eine Zuckermeng­e, die 5,5 Stück Würfelzuck­er entspricht.

Einen wahren Zuckerscho­ck garantiert der am Radio-Wien-Stand am Hof ausgeschen­kte Glühwein. Er ist mit sieben Stück Würfelzuck­er angereiche­rt. Hochgerech­net sind in einem Liter 111,4 Gramm Zucker enthalten – mehr als in CocaCola (106 g/l) oder Red Bull (104 g/l). Laut WHO-Empfehlung sollen Erwachsene maximal zehn Prozent der Energie, die sie pro Tag benötigen, aus freien Zuckern beziehen. Das entspricht rund 50 Gramm Zucker pro Tag.

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BILD: SN/N.KLINGER Der vorweihnac­htliche Punsch durchblute­t uns und heizt uns vorübergeh­end ein.

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