Geheimrezepte zur Verjüngung
Viele, viele Sektflaschen mussten diese Woche sterben, denn die Regierung feierte ihren 1. Geburtstag. Eigentlich ist der Termin ja erst in zehn Tagen, aber man wollte auf Nummer sicher gehen. Wer weiß, ob man in zwei Wochen noch im Amt ist? Jetzt, wo die Opposition so bärenstark aufgestellt ist ...
Dass sich ÖVP und FPÖ überhaupt dort befinden, also im Amt, verdanken sie Sebastian Kurz. Er hatte im Wahlkampf das staunenswerte Wunder vollbracht, die alte Urstrumpftante ÖVP zu einem jungen, türkisen Traumwesen umzumodeln. Derartige Verjüngungen zählen, wie jeder Zauberkünstler bestätigen wird, zu den schwierigsten Verwandlungskunststücken, die es gibt. Wie hat er das nur gemacht, der Kurz?
Möglicherweise hat er das berühmteste aller Verwandlungsbücher zurate gezogen – die „Metamorphosen“des Ovid. Dort ist das Rezept eines Zaubertranks angeführt, mit dem die griechische Magierin Medea ihren greisenhaften Schwiegervater Aeson verjüngte. Sollte Magier Kurz genau diesen Trank auch der ÖVP eingeflößt haben?
Das Rezept beginnt mit einer ausgedehnten Kräutersuche Medeas. (Das stimmt, Kurz macht ja auch gerne Wanderungen.) In den Kräutersud kommen dann Edelsteine des Orients (sicher bereitgestellt von Großspendern), das Fleisch eines Uhus (vermutlich für den Zusammenhalt), die Eingeweide eines Werwolfs (für die Verwandlung der Partei), die Haut einer afrikanischen Schildkrötenschlange (bezogen über die Mittelmeerroute), die Leber eines Hirschs (damit die Westachse eine Ruhe gibt) und den Kopf einer Krähe (als Symbol für das Ende der Schwarzen).
Als Medea dieses nahrhafte Süppchen fertig hatte, rührte sie laut Ovid mit einem uralten vertrockneten Olivenzweig um und – o Wunder! – plötzlich verjüngte sich der Zweig, trug wieder grünes Laub und war voll Oliven. Flugs gab die Zauberin den Trank ihrem Schwiegervater zu trinken, und auch an ihm tat er seine wundertätige Wirkung. Ovid berichtet: Magerkeit, Bleiche und Runzeln verschwanden aus Aesons Gesicht, eine lange Haarpracht zierte wieder sein Haupt und seine Glieder strotzten vor Kraft. Genau wie bei der ÖVP!
Als Inspirationsquelle für Kurz könnte aber auch Abraham a Sancta Clara gedient haben, der in einer seiner barocken Predigten ebenfalls von einer wundersamen Verjüngung berichtete:
Ein Marktfahrer brüstete sich bei einem Kirchtag, er könne alte Weiber (Pardon, aber das war die originale Wortwahl Abraham a Sancta Claras) jung machen, sie müssten ihm nur Alter und Name aufschreiben. Wenig später bekam er die Zettel, auf denen zu lesen stand: Katharina Glückin, alt 101 Jahre; Magdalena Stuhlfüßin, alt 88 Jahre; Ursula Pausellin, alt 94 Jahre; Veronika Schurtzin, alt 69 Jahre – und so weiter.
Kaum hatte er die Zettel, rief der Marktfahrer, sie seien ihm gestohlen worden und die Frauen (wir fahren in moderner Übersetzung fort) sollten ihm neue bringen. Und noch etwas gab er bekannt: Die Älteste von ihnen müsse er leider verbrennen, um mit ihrer Asche die anderen zu verjüngen.
Als er daraufhin die neuen Zettel bekam, stand darauf geschrieben: Katharina Glückin, 49 Jahre alt; Magdalena Stuhlfüßin, 38 Jahre; Ursula Pausellin, 54 Jahre, Veronika Schurtzin, 32 Jahre und so weiter. „Wohlan“, sagte der Marktfahrer, „so bezahlt mich jetzt. Ihr seid ja nach euren eigenen Angaben durch mich jünger geworden!“
So weit die Geschichte aus der Predigt des Abraham a Sancta Clara. Man bekommt dadurch eine ungefähre Vorstellung davon, wie es im ÖVP-Bundesparteivorstand zugegangen sein muss, als über die Inthronisierung von Sebastian Kurz als Parteichef beraten wurde. Man ist eben so alt, wie man sich fühlt.