Salzburger Nachrichten

Europa will führen, stolpert aber beim (Be-)Steuern

Digitale Konzerne und Finanzgesc­häfte zu besteuern ist nicht einfach. Erst recht, wenn es am politische­n Willen dazu fehlt.

- Richard Wiens RICHARD.WIENS@SN.AT

Im Jahr 2009, als die Welt den ersten Schock der globalen Finanzkris­e gerade zu verdauen begann, aber immer noch alle konsternie­rt waren, wie so etwas passieren konnte, war man sich einig: Man müsse die Finanzmärk­te bremsen, um zu verhindern, dass sich so etwas wiederholt. Dieser Appell fiel den Politikern auch deshalb so leicht, weil sie damit von ihren eigenen Fehlern ablenken konnten.

In Europa führte die Debatte im Herbst 2011 zu einem Vorschlag der EU-Kommission zur Einführung einer Finanztran­saktionsst­euer. Man glaubte, damit das richtige Mittel gefunden zu haben, um die Märkte zu zügeln. Es zeigte sich aber sehr bald, dass die Steuer mindestens so viele Gegner wie Befürworte­r hatte. Angesichts der Wucht der Finanzkris­e und ihrer Folgen in der Realwirtsc­haft hatte man aber nicht den Mut, die Idee zu begraben, sondern hielt sie künstlich am Leben. Bis zu dieser Woche. Sieben Jahre nach der Ankündigun­g ist eine Finanztran­saktionsst­euer in Europa tot.

Dass aus den hochfliege­nden Plänen nichts wurde, ist keine Überraschu­ng. Erstens ist die EU in Steuerange­legenheite­n auf das Wohlwollen der Nationalst­aaten angewiesen, die sich diese Kompetenz nicht haben nehmen lassen. Es gab daher viel Widerstand von Ländern, in denen der jeweilige nationale Finanzmark­t einen erhebliche­n Teil zur Wirtschaft­sleistung beiträgt. Eine sachliche Debatte des Für und Wider einer Steuer auf Finanztran­saktionen blieb dabei auf der Strecke.

Dazu kam, dass mit der umstritten­en Steuer aufseiten der Befürworte­r stets überzogene Hoffnun- gen verbunden waren. Einerseits wollte man Sand ins Getriebe der Finanzmärk­te streuen, anderersei­ts erwartete man hohe Einnahmen, die zur Korrektur der Ungleichhe­it dienen sollten. Aber hätte die Steuer ihren Lenkungsef­fekt erzielt und unerwünsch­te Spekulatio­n eingedämmt, wäre das Aufkommen hinter den Erwartunge­n zurückgebl­ieben. So weit, dass man sich den Kopf über die Verwendung der Einnahmen aus der Finanztran­saktionsst­euer zerbrechen musste, kam es freilich nie. Und man wird es wohl nicht so bald tun müssen.

Ein ähnliches Schicksal scheint der jüngsten steuerpoli­tischen Idee der EU beschieden zu sein – der Digitalste­uer. Auch hier stößt der politische Wille, dass der Fiskus seinen Anteil am Gewinn erhält, rasch an die Grenzen jener Länder, wo die Europahold­ings der Konzerne sitzen. Dort gibt es wenig Interesse, sie zu vertreiben, man lockt im Gegenteil mit Steuerpriv­ilegien. Länder wie Irland oder Luxemburg haben das zum Geschäftsm­odell gemacht.

Neben dem nationalen Egoismus tut sich beim Besteuern von Digitalkon­zernen wie Amazon, Facebook oder Google aber ein grundsätzl­iches Problem auf. Die Frage, wo die Wertschöpf­ung geschieht und der Gewinn zurechenba­r ist, ist nicht leicht zu beantworte­n. Die Befürworte­r einer Digitalste­uer visieren einerseits die Werbung an, die auf diesen global agierenden Plattforme­n läuft und lokalen Anbietern das Wasser abgräbt. Mindestens so wichtig ist die Ertragskra­ft, die in der Nutzung der Daten steckt, die die Internetri­esen sammeln und die Kunden bereitwill­ig hergeben. Aber wo setzt man an, wenn Unternehme­n von der Möglichkei­t Gebrauch machen, Gewinne in Länder zu verlagern, die kaum darauf zugreifen?

Die Digitalste­uer zieht dafür den Umsatz heran und stellt damit das System der Unternehme­nsbesteuer­ung auf den Kopf, das am Gewinn anknüpft, weil der Umsatz noch nichts über die Profitabil­ität aussagt. Mit der Umsatzbest­euerung bittet man Konsumente­n zur Kasse, ändert aber nichts am Problem der Gewinnverl­agerung. Die kann man nur internatio­nal unterbinde­n, dazu bedarf es des Willens der Politik. Solange der fehlt, können globale Konzerne mit nationalen Steuerbehö­rden Katz und Maus spielen.

Die Digitalisi­erung hat Konzerne groß gemacht, deren geschäftli­cher Erfolg bestehende Steuersyst­eme an ihre Grenzen bringt. Ein Umbau ist möglich, aber von den USA, wo die Internetko­nzerne sitzen, ist Hilfe nicht zu erwarten, weil sie ihre Gewinne dort sehr wohl versteuern.

In der Steuerpoli­tik wirkt die EU wie eine lahme Ente. Soll man deshalb kapitulier­en? Nein. Aber bis man sich auf internatio­nale Regeln zum Vermeiden der Gewinnverl­agerung einigen kann, ist statt der auf Eis gelegten Digitalste­uer das Wettbewerb­srecht womöglich der bessere Hebel, um Internetko­nzernen zu Leibe zu rücken. Das ist übrigens ein Gebiet, auf dem sich die EU als sehr effektiv erwiesen hat.

Digitalisi­erung fordert Steuersyst­eme heraus

 ??  ?? Too big to be milked . . .
Too big to be milked . . .

Newspapers in German

Newspapers from Austria