Mehr als eine Klarstellung bekommt May nicht
Die britische Premierministerin putzt vor dem EU-Gipfel Klinken – mit magerem Ergebnis.
BRÜSSEL, LONDON. John Major, der frühere konservative britische Premierminister, gab der amtierenden Regierungschefin Theresa May am Dienstag einen Rat: Großbritannien sollte das EU-Austrittsgesuch jetzt zurückziehen und so Zeit für „ernsthafte und tiefgehende Überlegungen“schaffen.
Bei Major mag im Hintergrund die Hoffnung auf ein zweites Brexit-Referendum mitspielen. Im Drama um den geplanten EUAustritt des Vereinigten Königreichs Ende März 2019 lässt sich nicht ausschließen, dass auch May selbst auf solche Ideen kommt. Nach der überraschenden Verschiebung der Abstimmung im britischen Unterhaus über das Austrittsabkommen sind wieder alle Optionen offen.
Das britische Parlament solle spätestens bis zum 21. Jänner 2019 über den Brexit-Deal abstimmen, verkündete ein Sprecher von Downing Street Nr. 10. Das mögliche Kalkül hinter diesem Spiel mit der Zeit: Je länger May das Votum hinauszögert, desto nervöser dürften die Abgeordneten im Unterhaus über die Vorstellung eines ungeordneten Brexit werden. Das No-DealSzenario wird von der Mehrheit des Parlaments abgelehnt.
May reiste am Dienstag zuerst nach Den Haag und Berlin. Sie traf dort mit dem niederländischen Premier Mark Rutte und der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel zusammen. Am Abend sprach May in Brüssel mit EU-Ratspräsident Donald Tusk und EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker. Dazwischen gab es ein Telefonat mit Bundeskanzler Sebastian Kurz.
Wie in der Parlamentsdebatte angekündigt, warb May angesichts der drohenden Ablehnung des Scheidungsvertrags um Zugeständnisse der EU-Partner. Das Problem ist wie schon bisher eine Notfallklausel (engl.: Backstop) im Austrittsabkommen: Demnach bleibt die britische Provinz Nordirland im EU-Binnenmarkt, solange keine andere Lösung gefunden ist, um eine Grenze auf der irischen Insel zu vermeiden. Laut Brexit-Staatsminister Martin Callanan will May „zusätzliche, rechtlich bindende“Zusicherungen von Brüssel, dass Großbritannien in der Zollunion mit der EU nicht „dauerhaft gefangen“sei. „Es gibt den Willen zu helfen, aber keine Bereitschaft, die Verhandlungen noch einmal aufzumachen“, heißt es aus EU-Ratskreisen. Möglich sei alles, von einer „kleinen Erklärung“, dass niemand die Notfallklausel wolle, bis zu einem öffentlichen Statement aller 27 verbleibenden EU-Staaten, dass es kein besseres Abkommen geben werde. „Der Backstop wird aber nicht verschwinden.“
Kommissionspräsident Juncker betonte, es gebe keinen Raum für Neuverhandlungen. Ähnlich hatten sich zuvor auch Kanzlerin Merkel und Ministerpräsident Rutte geäußert.
Der Brexit wird jedenfalls die EUStaatsund Regierungschefs bei ihrem regulären Treffen am Donnerstag und Freitag in Brüssel beschäftigen. Laut EU-Diplomaten ist eine rechtlich bindende Erklärung des Gipfels mit Klarstellungen zum Austrittsvertrag das Maximum des Möglichen. Irlands Ministerpräsidenten Leo Varadkar forderte London dagegen auf, den Brexit-Prozess auszusetzen oder um eine Fristverlängerung anzusuchen.