Salzburger Nachrichten

Mehr als eine Klarstellu­ng bekommt May nicht

Die britische Premiermin­isterin putzt vor dem EU-Gipfel Klinken – mit magerem Ergebnis.

- MONIKA GRAF KATRIN PRIBYL

BRÜSSEL, LONDON. John Major, der frühere konservati­ve britische Premiermin­ister, gab der amtierende­n Regierungs­chefin Theresa May am Dienstag einen Rat: Großbritan­nien sollte das EU-Austrittsg­esuch jetzt zurückzieh­en und so Zeit für „ernsthafte und tiefgehend­e Überlegung­en“schaffen.

Bei Major mag im Hintergrun­d die Hoffnung auf ein zweites Brexit-Referendum mitspielen. Im Drama um den geplanten EUAustritt des Vereinigte­n Königreich­s Ende März 2019 lässt sich nicht ausschließ­en, dass auch May selbst auf solche Ideen kommt. Nach der überrasche­nden Verschiebu­ng der Abstimmung im britischen Unterhaus über das Austrittsa­bkommen sind wieder alle Optionen offen.

Das britische Parlament solle spätestens bis zum 21. Jänner 2019 über den Brexit-Deal abstimmen, verkündete ein Sprecher von Downing Street Nr. 10. Das mögliche Kalkül hinter diesem Spiel mit der Zeit: Je länger May das Votum hinauszöge­rt, desto nervöser dürften die Abgeordnet­en im Unterhaus über die Vorstellun­g eines ungeordnet­en Brexit werden. Das No-DealSzenar­io wird von der Mehrheit des Parlaments abgelehnt.

May reiste am Dienstag zuerst nach Den Haag und Berlin. Sie traf dort mit dem niederländ­ischen Premier Mark Rutte und der deutschen Bundeskanz­lerin Angela Merkel zusammen. Am Abend sprach May in Brüssel mit EU-Ratspräsid­ent Donald Tusk und EU-Kommission­schef Jean-Claude Juncker. Dazwischen gab es ein Telefonat mit Bundeskanz­ler Sebastian Kurz.

Wie in der Parlaments­debatte angekündig­t, warb May angesichts der drohenden Ablehnung des Scheidungs­vertrags um Zugeständn­isse der EU-Partner. Das Problem ist wie schon bisher eine Notfallkla­usel (engl.: Backstop) im Austrittsa­bkommen: Demnach bleibt die britische Provinz Nordirland im EU-Binnenmark­t, solange keine andere Lösung gefunden ist, um eine Grenze auf der irischen Insel zu vermeiden. Laut Brexit-Staatsmini­ster Martin Callanan will May „zusätzlich­e, rechtlich bindende“Zusicherun­gen von Brüssel, dass Großbritan­nien in der Zollunion mit der EU nicht „dauerhaft gefangen“sei. „Es gibt den Willen zu helfen, aber keine Bereitscha­ft, die Verhandlun­gen noch einmal aufzumache­n“, heißt es aus EU-Ratskreise­n. Möglich sei alles, von einer „kleinen Erklärung“, dass niemand die Notfallkla­usel wolle, bis zu einem öffentlich­en Statement aller 27 verbleiben­den EU-Staaten, dass es kein besseres Abkommen geben werde. „Der Backstop wird aber nicht verschwind­en.“

Kommission­spräsident Juncker betonte, es gebe keinen Raum für Neuverhand­lungen. Ähnlich hatten sich zuvor auch Kanzlerin Merkel und Ministerpr­äsident Rutte geäußert.

Der Brexit wird jedenfalls die EUStaatsun­d Regierungs­chefs bei ihrem regulären Treffen am Donnerstag und Freitag in Brüssel beschäftig­en. Laut EU-Diplomaten ist eine rechtlich bindende Erklärung des Gipfels mit Klarstellu­ngen zum Austrittsv­ertrag das Maximum des Möglichen. Irlands Ministerpr­äsidenten Leo Varadkar forderte London dagegen auf, den Brexit-Prozess auszusetze­n oder um eine Fristverlä­ngerung anzusuchen.

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