Kataloniens Hardliner zündeln wieder
Der Ministerpräsident kann’s nicht lassen. Madrid reagiert empört.
Die Hoffnung, den Konflikt in Katalonien mit politischen Zugeständnissen beilegen zu können, scheint sich nicht zu erfüllen. Das Angebot des sozialistischen spanischen Regierungschefs Pedro Sánchez, Katalonien mehr regionale Autonomie einzuräumen und eine bessere Finanzierung zuzugestehen, reicht der Separatistenführung in Barcelona nicht. Ministerpräsident Quim Torra besteht auf der Abspaltung vom EU-Staat Spanien und steuert wiederum auf Konfrontation zu.
Sánchez reagiert und droht mit einem erneuten Einsatz der Bereitschaftspolizei. Sie soll vor allem gegen die separatistischen „Komitees zur Verteidigung der Republik“vorgehen, die in den vergangenen Monaten für zahlreiche Blockaden von Fernstraßen und Zugstrecken, aber auch für gewaltsame Übergriffe verantwortlich gemacht werden. Es sind fragwürdige Aktionen, die vom Chefseparatisten Torra ausdrücklich gelobt werden: „Es ist gut, dass ihr Druck macht“, so lobte er und forderte die Katalanen auf, die Unabhängigkeit mithilfe des „slowenischen Wegs“zu erzwingen. Die unilaterale Abspaltung Sloweniens von Jugoslawien hatte 1991 zu einem zehntägigen Krieg mit 62 Toten und mehreren Hundert Verletzten geführt. Zuvor hatten 88 Prozent der Slowenen in einem Referendum für einen eigenen Staat gestimmt – die Wahlbeteiligung lag bei 93 Prozent. „Wir müssen es genauso machen und zu allem bereit sein“, forderte Torra, Galionsfigur der Separatistenpartei Junts per Catalunya (Zusammen für Katalonien). Spaniens Premier Sánchez, dessen Gesprächsangebote in Barcelona auf taube Ohren zu stoßen scheinen, war empört. Es sei nicht akzeptabel, dass Torra die Lage im demokratischen Spanien mit jener in der früheren kommunistischen Diktatur Jugoslawiens vergleiche. Madrid warnte Torra vor einem weiteren Vorgehen. „Wenn es einen Rechtsbruch gibt, wird die Regierung Spaniens handeln“, hieß es.
Im Herbst 2017 hatte Torras Vorgänger Carles Puigdemont ein Unabhängigkeitsreferendum durchgepeitscht, obwohl das Verfassungsgericht dies untersagt hatte. Anschließend setzte Spaniens damalige konservative Regierung die Puigdemont-Führung ab und übernahm vorübergehend die Kontrolle über die Region. Die meisten Verantwortlichen dieses Separatistenaufstands sitzen nun auf der Anklagebank. Puigdemont aber setzte sich nach Belgien ab. Doch auch aus dem Unabhängigkeitslager, zu dem insgesamt drei Parteien gehören, kam deutliche Kritik an Torras Aufruf, erneut eine Konfrontation mit Spanien zu suchen.
Nicht Slowenien, sondern Schottland sei das Vorbild, sagte der Vorsitzende des katalanischen Parlaments, Roger Torrent, im Namen der Separatistenpartei Esquerra Republicana (Republikanische Linke). In Schottland durften die Bürger 2014 ganz legal über die Unabhängigkeit abstimmen – 55 Prozent votierten dagegen.
Torrent, dessen pragmatische Partei Esquerra heute in Katalonien deutlich mehr Sympathien genießt als Torras Hardliner, wirbt für einen Kurs ohne neue Rechtsbrüche. Doch eine Mehrheit für eine Unabhängigkeit ist nicht in Sicht. Nach dem neuesten Stimmungsbarometer der katalanischen Regionalregierung kommen die Unabhängigkeitsbefürworter auf 47 Prozent.