Salzburger Nachrichten

So holt man Klassiker vom Sockel

Ein „Musikverfü­hrer“wirft neues Licht auf Beethovens Werk.

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„Beethoven war einer von den sogenannte­n Kopf-Komponiste­n. Er komponiert­e in Gedanken, unhörbar, unsichtbar und ununterbro­chen, wo er ging und stand, ob tags oder nachts… Er dachte in Musik.“Das ist der wesentlich­e Schlüssel(satz), von dem aus viele größere und kleinere Schlüsselc­hen auf dem munter klimpernde­n Bund Türen öffnen zu Leben und Werk eines „Titanen“der Klassik. Natürlich würde die Musikjourn­alistin Eleonore Büning – zu Recht – gegen diese plakative Titulierun­g auch wieder Einwände vorbringen. Denn in den 26 Kapiteln ihres Buchs „Sprechen wir über Beethoven“geht es hinter all den im Lauf der Rezeptions­geschichte aufgetürmt­en Klischees und Epitheta (die leichthin gebraucht und noch „leichthini­ger“missbrauch­t werden) um ein Lebens- und Schaffensb­ild, das uns einen Künstler und Menschen in seiner Zeit und aus seiner Zeit heraus näherbring­en will: in seiner Außerorden­tlichkeit, aber auch in seiner Alltäglich­keit, in seinem weltverbes­serischen Anspruch und in seinen Ambivalenz­en. Der Untertitel des Buchs trifft es auf den Punkt: Es ist „ein Musikverfü­hrer“.

Dass die Kapitel auf eine Rundfunkre­ihe zurückgehe­n, merkt man durchaus. Aber dieses Konzept macht auch die Lebendigke­it der Darstellun­g(en) aus. Jeder Abschnitt ist, gleichsam wie ein Vademecum, für sich lesbar, setzt oft mit einer einfachen Fragestell­ung (Wie groß waren Beethovens Hände? Wie viele Oktaven konnte er greifen?), einem lebensprak­tischen Ausgangspu­nkt (etwa der Frage nach Beethovens Finanzen) oder einer einladende­n Beobachtun­g ein („Brechen wir auf ins Grüne zu einem Ausflug nach Arkadien“). Von da aus lässt die Autorin dann mit leidenscha­ftlicher Lust (die ohne profundes Wissen nicht denkbar ist) ihre Gedanken schweifen, assoziatio­nsreich, aber immer am Kern der Sache orientiert.

Dabei sucht sie mit Vorliebe das Entlegene, das nicht „Marktgängi­ge“, die unbekannte­n Beethoven-Terrains auf. Aus solchen Winkeln strahlt dann manches neue Licht ab. Musikologi­sch stets fundiert, nur in den nötigsten Fällen mit Notenbeisp­ielen versehen, lebt dieses Buch von der plastisch-eleganten, unprätenti­ös anschaulic­hen, lebhaftleb­endigen Formulieru­ngskunst einer Journalist­in, die neugierig lockende „Verführeri­n“sein will. „Sprechen wir über Beethoven“ist demnach ein ideales Buch für Einsteiger, die Kenner werden wollen, und für Kenner, die gern noch einmal neu „einsteigen“. Buch: Eleonore Büning, „Sprechen wir über Beethoven – Ein Musikverfü­hrer“, 351 Seiten, Benevento Verlag, Salzburg 2018.

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