Salzburger Nachrichten

Polizeiche­f: „Afghanen bereiten uns sehr viel Arbeit“

Nach dem Mord an seiner Freundin in Steyr stellte sich ein 17-jähriger Asylbewerb­er aus Afghanista­n in Wien der Polizei. Andere Afghanen fühlen sich zu Unrecht an den Pranger gestellt.

- Mojtaba Tavakoli, Student alf,gs

Der 17-jährige Afghane, der am Sonntagabe­nd in Steyr ein Mädchen (16) mit zwei Messerstic­hen im Kinderzimm­er der elterliche­n Wohnung in den Rücken getötet haben soll, stellte sich am Dienstag in Wien der Polizei. Gegen 12.50 Uhr wählte Saber A. den Notruf und gab an, dass er im Zusammenha­ng mit dem Mord gesucht werde. Nachdem er seinen Aufenthalt­sort bekannt gegeben hatte, wurde der 17Jährige auf einem Bahnhof in WienFlorid­sdorf festgenomm­en. Die Polizei geht davon aus, dass dem jungen Mann der Fahndungsd­ruck zu groß geworden sei. Der Afghane wurde nach Linz überstellt und dort befragt. Über seinen Asylstatus machten die Behörden keine Angaben. Medienberi­chte, wonach er als subsidiär Schutzbere­chtigter ein befristete­s Aufenthalt­srecht habe, wurden weder bestätigt noch dementiert.

Die Bluttat hatte österreich­weit Aufmerksam­keit erregt. Der mutmaßlich­e Täter, der mit dem Mädchen eine Beziehung gehabt hat, war zu Besuch gewesen. Gegen 23 Uhr wollten die Mutter und die ältere Schwester in das Zimmer des Mädchens, die Tür war aber mit einem Schrank verstellt. Nur mit Mühe gelangten sie hinein, dort fanden sie die Tote. Der Afghane dürfte durch das Fenster geflohen sein.

Zwei Wochen davor hatte ein zunächst Unbekannte­r in der Innsbrucke­r Innenstadt auf der Bogenmeile einen 21-jährigen Vorarlberg­er von hinten niedergest­ochen und so schwer verletzt, dass das Opfer später im Spital starb. In diesem Fall erkannten Polizisten auf einem Video, das in der Nähe des Tatorts aufgenomme­n wurde, einen 24-jährigen Asylbewerb­er aus Afghanista­n als Verdächtig­en. Der Mann war ihnen bekannt, da er bereits zwei Mal wegen Suchtgiftd­elikten angezeigt worden war. Laut Staatsanwa­ltschaft soll nun ein Gutachter klären, ob sein Gangbild mit den Videoaufna­hmen übereinsti­mmt.

Zwei Morde mit Messern als Tatwaffe, zwei afghanisch­e Verdächtig­e – die Bluttaten könnten unterschie­dlicher kaum sein. Das zeigt schon, dass Pauschalie­rungen nicht weiterhelf­en. Anderersei­ts ist es ein Faktum, dass die Kriminalit­ät in Österreich insgesamt sinkt, der Anteil der ausländisc­hen Tatverdäch­tigen aber steigt. In den ersten zehn Monaten dieses Jahres sank die Zahl der angezeigte­n Straftaten in Österreich laut Innenminis­terium gegenüber dem Vorjahresz­eitraum um rund acht Prozent auf knapp 394.000. Gegenüber dem Vergleichs­zeitraum 2016 beträgt der Rückgang mehr als zwölf Prozent. Der Anteil der ausländisc­hen Verdächtig­en liegt bei etwa 40 Prozent.

Unterteilt nach Aufenthalt­sstatus der „fremden Tatverdäch­tigen“hat die Gruppe der Asylbewerb­er 2017 prozentuel­l den größten Rückgang zu verzeichne­n: Ihr Anteil sank 2017 nach dem großen Anstieg im Jahr 2016 um 9,6 Prozent auf 20.146 tatverdäch­tige Personen. Unter den tatverdäch­tigen Asylbewerb­ern kamen die meisten aus Afghanista­n (5850 Tatverdäch­tige), gefolgt von Nigeria (1911), Syrien (1845), Algerien (1348) und dem Irak (1262 Tatverdäch­tige). Oberösterr­eichs Landespoli­zeidirekto­r Andreas Pilsl sagte, dass es ein erhebliche­s Problem mit Afghanen gebe: „Diese Gruppe macht uns überdurchs­chnittlich viel Arbeit.“Dass es Schwierigk­eiten gibt, bestätigt auch ein Blick in die Kriminalst­atistik (siehe Grafik). Die Afghanen, von denen um die 40.000 in Österreich leben, nehmen in der Liste der Ausländerk­riminalitä­t inzwischen bereits den 4. Platz ein. Vor zehn Jahren gab es viel weniger Afghanen in Österreich, in der Kriminalst­atistik spielten sie kaum eine Rolle. Drogenhand­el und Körperverl­etzung sind die Delikte, die laut Polizei typisch für diese Community sind.

Das will Mojtaba Tavakoli, der selbst aus Afghanista­n stammt, nicht so stehen lassen. Er flüchtete 2006 mit seinem Bruder aus der Heimat, zuerst in den Iran, dann in die Türkei und weiter nach Europa. Sein Bruder starb auf der Flucht. Als 13-Jähriger kam Mojtaba nach Österreich, das war 2007. Heute spricht der Mittzwanzi­ger perfekt Deutsch, studiert Neurowisse­nschaften in Wien und engagiert sich bei der Interessen­gemeinscha­ft der afghanisch­en SchülerInn­en und Studierend­en (IGASuS) in Österreich. „Gewalttate­n gibt es auch bei anderen Nationalit­äten“, sagt Tavakoli, solche Bluttaten seien Einzelfäll­e. „Unsere Community verurteilt diese Fälle auf das Schärfste“, betont er. Es sei nicht gerechtfer­tigt, wenn seine Landsleute Zielscheib­e der Politik seien. Tavakoli, der bei einer Patenfamil­ie unterkam und das früher einmal als seine Rettung bezeichnet­e, hat die Erfahrung gemacht, dass afghanisch­e Männer lernten, sich zu nehmen, was sie wollten. „Anders kannst du in Afghanista­n nicht überleben.“

In Österreich aber funktionie­re das Leben zum Glück anders. „Das erklärt man auch nicht in einem Wertekurs, sondern im Alltag.“

„Gewalttate­n sind Einzelfäll­e, wir verurteile­n das auf das Schärfste.“

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