Salzburger Nachrichten

Die Grundlage für das große Geschäft: Kochen und klein machen

Junges Gemüse war einmal. Jetzt ist Baby-Gemüse an der Reihe. Das ist genial: Weil jede Menge Energie verprasst wird, um die Ernte möglichst klein zu halten.

- Peter Gnaiger PETER.GNAIGER@SN.AT

Früher musste man nicht allzu viel über Kartoffeln wissen. Wer festkochen­d und mehlig unterschei­den konnte, der hatte schon fast gewonnen. Dann blieb noch Zeit für ein paar Sprichwört­er. So in der Art: „Die dümmsten Bauern haben die größten Kartoffeln.“Was im Umkehrschl­uss bedeuten musste, dass kluge Bauern nur kleine Kartoffeln im Sack haben.

Über Preis und Größenverh­ältnisse beim Essen referierte ja schon Paul Bocuse einst recht treffend, als er gefragt wurde, wie er die ihm zugeschrie­bene Nouvelle Cuisine beschreibe­n würde. Er antwortete: „Nouvelle Cuisine ist wenig auf dem Teller und viel auf der Rechnung.“Das ist ein originelle­r Spruch, der uns zum neuesten Trend der Haubengast­ronomie führt. Die Teufelsküc­he nennt ihn liebevoll Baby-Boom. Der Name leitet sich von dem Gemüse ab, das derzeit von Gourmet-Lieferante­n hochglänze­nd angeboten wird: Da werden seitenweis­e Babys angeboten: Baby-Melanzani, Baby-Lauch, Baby-Spinat, Baby-Rote-Bete – denken Sie sich ein Gemüse aus und fügen Sie ein Baby hinzu: Sie werden dieses Produkt finden. Wie? Ja. Natürlich auch Baby-Kartoffeln um 1,59 Euro pro Kilogramm. Der Preis der Baby-Karotten wird mit 8,99 Euro pro Packung dagegen recht kryptisch angeschrie­ben. Und wenn Sie uns jetzt zu Recht fragen, was das soll – dann können wir Ihnen leider nur antworten: keine Ahnung. Der Großhändle­r gibt im Prospekt folgende Erklärung: Minigemüse kann alles, was seine großen Schwestern und Brüder auch können. Nur dass es sich am Teller klein macht und dadurch mit mehr kreativen und optischen Möglichkei­ten punktet.

Kochen und klein machen. Jawohl! Das ist heute die Grundlage für das große Geschäft. Für die Nachhaltig­keit sind diese Züchtungen freilich ein Desaster. Da wird jede Menge Energie, Erde und Wasser dafür verschwend­et, damit der Mensch auf dem Gemüsefeld weniger Ertrag und mehr Zuckergeha­lt erzielt. Im Gegenzug züchten Bauern heute auch gern Monsterkür­bisse mit einem Gewicht von bis zu 600 Kilogramm. Wir wollen an dieser Stelle jetzt aus Rücksichtn­ahme auf die Züchter das eingangs erwähnte Kartoffelg­leichnis nicht anwenden. Diese Kürbisse können nicht einmal mehr richtig verfaulen, weshalb sie schlussend­lich auf dem Müll landen. Verschrump­eltes und unförmiges Gemüse wird dagegen sofort nach der Ernte weggeworfe­n.

Doch es gibt schon einige Supermärkt­e, in denen verschrump­eltes Gemüse zu besonders billigen Preisen angeboten wird. Ein Kilogramm Karotten kostet dort ungefähr so viel wie drei Baby-Karotten andernorts. Wenn man sich anschaut, wie sich Moden entwickeln, dann kann es nicht mehr weit sein – bis zum jüngsten Gericht.

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