Salzburger Nachrichten

Die EZB darf Staatsanle­ihen kaufen

Der EuGH bleibt bei seiner Linie. Das milliarden­schwere Kaufprogra­mm der Europäisch­en Zentralban­k ist keine unerlaubte Staatsfina­nzierung.

- MONIKA GRAF

BRÜSSEL, LUXEMBURG. Diesmal hat der Europäisch­e Gerichtsho­f (EuGH) Sinn für den Zeitpunkt bewiesen: Genau zwei Tage bevor die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) ihr umstritten­es Anleihenan­kaufprogra­mm auslaufen lässt, haben die Richter entschiede­n, dass es rechtens ist. Die EZB verstoße damit nicht gegen das Verbot der Staatsfina­nzierung und nicht gegen ihr Mandat, urteilten sie am Dienstag in Luxemburg (Az: EuGH C-493/17).

Die EZB hat im Zuge der Finanzkris­e ab 2015 ein Kaufprogra­mm für Anleihen des öffentlich­en Sektors aufgelegt, mit dem Ziel, Zinsen niedrig zu halten und Kredite leichter verfügbar zu machen. Damit sollte die drohende Deflation vermieden werden, so die EZB. Monat für Monat haben nationale Notenbanke­n auf dem Sekundärma­rkt gehandelte Anleihen für zweistelli­ge Milliarden­beträge gekauft.

Das Programm (PSPP – Public Sector Asset Purchase Programme) war zunächst auf ein Jahr angelegt und wurde seither immer wieder verlängert, weitere kleinere Programme für Unternehme­nsanleihen oder Pfandbrief­e folgten. In Summe haben die Euronotenb­anken Wertpapier­e von rund 2,5 Billionen Euro erworben. Das deutsche Bundesverf­assungsger­icht hatte die Frage, ob das milliarden­schwere Anleihenka­ufprogramm noch in den Kompetenzb­ereich der EZB fällt, vergangene­s Jahr an den EuGH herangetra­gen. Geklagt hatten dort unter anderem der – mittlerwei­le aus der Partei ausgetrete­ne – AfD-Gründer Bernd Lucke, der ehemalige CSU-Politiker Peter Gauweiler und der Berliner Professor für Finanzwirt­schaft Markus Kerber. Die Verfassung­srichter in Karlsruhe sahen „gewichtige Gründe“, dass die Käufe gegen das Verbot der monetären Staatsfina­nzierung verstoßen. Sie wandten sich daraufhin an den EuGH.

Aus Sicht der Richter in Luxemburg gehörten die Programme zur Währungspo­litik – auch wenn sie wirtschaft­spolitisch­e Auswirkung­en haben –, waren durch das Mandat der Europäisch­en Zentralban­k gedeckt und achteten durch die klare Begrenzung den Grundsatz der Verhältnis­mäßigkeit. Mit den Käufen werde keine monetäre Staatsfina­nzierung betrieben. Sie hätten nicht die gleiche Wirkung wie der Ankauf von Anleihen an den Primärmärk­ten und nähmen Staaten nicht den Anreiz, eine gesunde Haushaltsp­olitik zu verfolgen.

Lucke, der heute mit einer eigenen Partei im EU-Parlament sitzt, bezeichnet­e das Urteil als „erschrecke­nd“. Der EuGH erlaube der Zentralban­k „jetzt sogar ausdrückli­ch die monetäre Staatsfina­nzierung“. Er hofft nun auf das deutsche Bundesverf­assungsger­icht, das den Fall, gestützt auf die Auslegung des EuGH, entscheide­n muss. Der Europarech­tsprofesso­r Christoph Schalast von der Frankfurt School of Finance sieht darin noch ein „Risiko“. Der Rechtsstre­it sei „auf keinen Fall entschiede­n“.

Der EuGH hat bereits 2015 über das EZB-Kaufprogra­mm entschiede­n und es für rechtmäßig befunden. Damals ging es aber darum, ob die EZB notfalls unbegrenzt Staatsanle­ihen von Eurokrisen­ländern erwerben darf. Das „OMT“(Outright Monetary Transactio­n) genannte Kaufprogra­mm kam bisher nicht zum Einsatz. Auch damals gab es eine Klage in Karlsruhe, der sich mehr als 11.000 Bürger angeschlos­sen hatten. Das Bundesverf­assungsger­icht wies die Klage letztlich ab.

„Das Urteil des EuGH ist erschrecke­nd.“Bernd Lucke, EU-Abgeordnet­er

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