Salzburger Nachrichten

Handys lassen uns schöner wirken, als wir sind

Bei den meisten Smartphone-Kameras sind sogenannte Beauty-Filter eingebaut. Und die Hersteller stellen diese von Region zu Region unterschie­dlich stark ein.

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SALZBURG. Dasselbe Fotomotiv, zwei Mal mit derselben Smartphone-Kamera abgelichte­t: Auf Bild eins erkennt man kleine Falten im Gesicht der fotografie­rten Frau, auch Sommerspro­ssen sind sichtbar, die Haut wirkt etwas fahl. Auf Bild zwei sind die Schönheits­makel fast vollständi­g weg – keine Falten, keine Sommerspro­ssen, strahlende Haut.

Den sichtbaren Unterschie­d zwischen beiden Bildern machen die vorgegeben­en Einstellun­gen der Selfie-Kameras auf Smartphone­s aus. Vor allem asiatische Handy-Hersteller wie Samsung oder Huawei haben auf ihren Geräten seit jeher sogenannte Beauty-Filter integriert: Wer zum Beispiel bei neueren Samsung-Smartphone­s im Selfie-Modus rechts unten auf das Symbol mit kleinen Rauten klickt, sieht, wie stark seine Fotos aufgehübsc­ht werden.

Immer wieder tauchen im Netz Beschwerde­n über die Filter auf. Vor wenigen Wochen hat etwa Apple die Kritik erreicht. Unter dem Hashtag „Beautygate“beschwerte­n sich iPhone-XS-Nutzer darüber, dass ihre Bilder nicht der Realität entspreche­n. Apple gestand die Bildmanipu­lation schließlic­h ein. Dahinter soll aber nicht Absicht, sondern ein Fehler stehen, der mit einem Update des Betriebssy­stems behoben sein soll.

Bei Samsung oder Huawei werden die Bilder indes mit voller Absicht gefiltert. Und zwar von Region zu Region unterschie­dlich – angepasst an das jeweilige Schönheits­ideal, wie den SN ein Branchenin­sider beschreibt. In Asien bewegen sich die Filter automatisc­h auf hohem Niveau, Europa befinde sich „im unteren Mittelmaß“. Und in Südamerika seien gar keine Filter erwünscht.

Ein jeder Smartphone-Nutzer kann die Filter jedoch auch händisch anpassen. Oder zusätzlich­e wählen – die Fotoplattf­orm Instagram bietet gleich eine Reihe solcher Optionen. Dass User auf Filter setzen, kann Internetso­ziologe Stephan Humer nachvollzi­ehen. Das habe zum einen mit dem Experiment­iercharakt­er zu tun: Die User probieren aus, was möglich ist. Zum anderen stehe doch das Ziel dahinter, positiver zu wirken. „Die Werkzeugki­ste ist enorm. Und sie ist viel größer als in der analogen Welt“, sagt Humer. Bei einem Vorstellun­gsgespräch könne man das eigene Bild zwar auch verfälsche­n – etwa über die Kleidungsw­ahl –, im Digitalen seien die Möglichkei­ten aber ganz andere.

Doch kann der Trend gefährlich sein? Ändert sich durch andauernde Fotomanipu­lation unser Selbstbild? Dies könne in der Tat so sein, schildert Humer. Aber das könne positive wie negative Auswirkung­en haben: Ein Jugendlich­er, der im Netz tolle Rückmeldun­gen auf seine Fotos kriegt, könne in der realen Welt an Selbstbewu­sstsein zulegen. Es könne aber auch der Fall eintreten, dass der Jugendlich­e nur mehr schwer damit leben kann, dass fernab von Instagram und Facebook „nicht alles so toll ist“.

Und wie sollen die Onlineplat­tformen mit dem Hang zu geschönten Fotos umgehen? Stephan Humer gesteht zwar ein, dass es „sehr verführeri­sch“ist, nur Schönbilde­r zu liefern. Und das mache den Nutzer in dem Moment, in dem er das Bild sieht, wohl glücklich. Aber: „Wenn ich dann an den von der Reiseplatt­form abgebildet­en Strand fahre und merke, dass er doch nicht so schön ist, ist der ganze Effekt verpufft.“Mut zur Realität sei also zu empfehlen. Und die Nutzer selbst müssten lernen, die Welten zu trennen. „Ich darf mich ruhig über das schöne Foto eines Menschen freuen. Aber ich muss wissen, dass dieser ohne Filter und ohne Schminke wohl auch mit Pickeln aufwacht.“

„Die digitale Werkzeugki­ste ist enorm.“

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Stephan Humer, Internetso­ziologe

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