Salzburger Nachrichten

Das lange Warten auf die Leitung

Seit Herbst 2012 prüfen Richter, ob die geplante 380-kV-Leitung durch Salzburg die Umweltaufl­agen erfüllt. Jetzt macht der Leitungsbe­treiber APG Druck: Das Höchstgeri­cht soll eine Frist setzen, damit ab Herbst 2019 gebaut werden kann.

- HELMUT KRETZL

WIEN. Es ist eine fast schon endlose Geschichte, das Projekt der geplanten 380-kV-Stromleitu­ng durch das Bundesland Salzburg, von Elixhausen nach Kaprun. Vor mehr als sechs Jahren, am 28. September 2012, hat die Verbund-Tochter Austrian Power Grid (APG) das Projekt zur Umweltvert­räglichkei­tsprüfung (UVP) eingereich­t. Abgeschlos­sen ist es bis heute nicht.

Zwar beurteilte das Land Salzburg das Projekt bereits im Dezember 2015 positiv. Doch nach einer Berufung von Leitungsge­gnern ist seither das Bundesverw­altungsger­icht als nächsthöhe­re Instanz mit dem Projekt befasst. Dort ist die UVP seit nunmehr 34 Monaten anhängig. Zu lange, befindet jetzt die APG in ihrer Funktion als Netzbetrei­ber und größter Stromtrans­porteur des Landes.

Am gestrigen Dienstag hat man daher einen Fristsetzu­ngsantrag eingebrach­t. Mit dem Ziel, dass der Verwaltung­sgerichtsh­of (VwGH) dem Bundesverw­altungsger­icht (BVwG) eine Anordnung erteilt, bis wann dieser ein Erkenntnis vorzulegen hat. Normalerwe­ise ist das eine Frist von drei Monaten. Der BVwG kann der übergeordn­eten Instanz aber auch begründen, warum er nicht in der Lage war, in der vorgesehen­en Frist zu einem Erkenntnis zu kommen.

Naheliegen­de Begründung könnte die Tatsache sein, dass das eingereich­te Projekt sehr komplex und umfangreic­h ist, räumt APG-Vorstandsc­hefin Ulrike Baumgartne­rGabitzer ein. Der Akt umfasst mehr als 10.000 Seiten.

Das Gesetz sieht eine BVwG-Entscheidu­ng nach sechs Monaten vor. Einschließ­lich der ersten Instanz beläuft sich die Verfahrens­verzögerun­g mittlerwei­le bereits auf 56 Monate. Erzwingen kann freilich auch der VwGH keine Entscheidu­ng.

Konkret geht es um die Errichtung einer neuen Leitung über insgesamt 128 Kilometer, 114 km davon als 380-kV-Leitung. Dafür sollen die bestehende­n 220/110-kV-Leitungen über 193 km abgebaut werden. Auch die Zahl der Masten ist mit 449 deutlich geringer als die bestehende­n 678. Die jetzt geplanten Projektkos­ten belaufen sich auf gut 650 Millionen Euro. Eine unterirdis­che Leitung, wie von einer Bürgerinit­iative gefordert, wäre acht bis zehn Mal so teuer. Die auf fünf Jahre veranschla­gte Bauzeit würde 6500 Arbeitsplä­tze sichern. Nach einem positiven UVP-Bescheid könnte der Bau im Herbst 2019 beginnen.

Dass dem Stromnetzb­etreiber jetzt der Geduldsfad­en gerissen ist, begründet die APG unter anderem mit drohenden Kapazitäts- und Versorgung­sengpässen. Schon jetzt sei das bestehende 220-kV-Netz nicht mehr in der Lage, den Anforderun­gen der Kunden zu entspreche­n. Vollends unerreichb­ar sei unter diesen Bedingunge­n die Umsetzung der Umwelt- und Klimastrat­egie, sagt Baumgartne­r-Gabitzer. Das definierte Ziel, bis 2030 Strom vollständi­g aus erneuerbar­er Energie gewinnen zu können, sei ohne die 380-kV-Salzburgle­itung nicht erreichbar. „Ohne diese Leitung kommen wir massiv in Bedrängnis.“

Die APG verweist auf ihre landesweit­e Versorgung­saufgabe. Die Salzburgle­itung sei das „missing link“, also das fehlende Teilstück, im geplanten Ring aus Höchstspan­nungsleitu­ngen durch Österreich, sagt APG-Technikvor­stand Gerhard Christiner. Außer der sicheren Versorgung in Salzburg gehe es um notwendige Stromliefe­rungen vom Westen in den Osten.

Der in den alpinen Speicherkr­aftwerken erzeugte und der aus Deutschlan­d importiert­e Strom müssen zu den großen Verbrauche­rn im Osten des Landes transporti­ert werden. Umgekehrt gibt es den Bedarf, Überschüss­e aus dem in Ostösterre­ich erzeugten Windstrom in die Pumpspeich­erwerke im Westen zu leiten. In beiden Fällen ist Salzburg der Flaschenha­ls.

Die Zeit drängt, die bestehende 220-kV-Stromleitu­ng aus den 1960er-Jahren werde den Anforderun­gen kaum noch gerecht, argumentie­rt die APG. Schon jetzt müssen thermische Kraftwerke im Osten einspringe­n, um den Bedarf zu decken. Dieses „Redispatch“kostet jährlich 130 Millionen Euro. Dazu kommen Kosten für Wartung und Instandhal­tung des bestehende­n Netzes – die jeweils den Verbrauche­rn aufgeschla­gen werden.

Für die Industriel­lenvereini­gung Salzburg ist die 380-kV-Leitung ein „Paradebeis­piel für überlange Verfahren für ein Vorhaben, das im öffentlich­en Interesse liegt“, sagt IVPräsiden­t Peter Unterkofle­r. Es gehe keineswegs darum, Umweltstan­dards zu unterminie­ren, sagt APGVorstan­d Christiner. „Wir haben das ehrliche Interesse, Projekte bestmöglic­h vorzuberei­ten – in dem Fristenlau­f, der angedacht ist.“

„Ohne Leitung kommen wir in Bedrängnis.“ Ulrike Baumgartne­rGabitzer, APG-Chefin

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