Salzburger Nachrichten

Umweltverf­ahren: Regierung stärkt Wirtschaft

Wirtschaft­skammern erhalten Parteienst­ellung – Kritik der Grünen und von Global 2000.

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WIEN. Durch einen Abänderung­santrag, den die Koalitions­parteien am Mittwoch im letzten Moment im Nationalra­t einbrachte­n, werden die neun Wirtschaft­skammern im Umweltverf­ahren deutlich gestärkt: Sie sollen amtliche Parteienst­ellung im Umweltvert­räglichkei­tsverfahre­n erhalten. Der strittige Satz in dem türkis-blauen Antrag liest sich so: „Die Landeskamm­ern werden im übertragen­en Wirkungsbe­reich als Standortan­walt gemäß dem Umweltvert­räglichkei­tsprüfungs­gesetz 2000 – UVP-G 2000, BGBl. Nr. 697/1993, tätig, wenn das Vorhaben Auswirkung­en auf das jeweilige Land als Wirtschaft­sstandort hat.“

Was steckt dahinter? Die Funktion des Standortan­walts war erst im vergangene­n Oktober von der Koalition im Umweltvert­räglichkei­tsgesetz verankert worden. Aufgabe dessen Anwalts ist es, „die öffentlich­en Interessen an der Verwirklic­hung eines Vorhabens“im Verwaltung­sverfahren zu vertreten. Und auf diese Weise, das ist das Ziel, die Verfahren beschleuni­gen.

Seit dem gestern überfallsa­rtig eingebrach­ten Abänderung­santrag steht nun fest, wer auf Geheiß der Regierung die Funktion des Standortan­walts übernehmen wird: die neun Landeskamm­ern der Bundeswirt­schaftskam­mer. „Bei der Besorgung dieser Aufgabe“, so heißt es weiter, „unterliege­n sie den Weisungen der Bundesmini­sterin für Digitalisi­erung und Wirtschaft­sstandort.“Also kurz gesagt: der Wirtschaft­sministeri­n Margarete Schramböck.

Der grüne Vorarlberg­er Umweltland­esrat Johannes Rauch nennt die Neuregelun­g ironisch eine „neue Qualität, wie die Bundesregi­erung Standortpo­litik neu definiert“: „Nicht nur, dass mit dem Standortge­setz die Umweltgese­tzgebung geschwächt und in weiten Bereichen ausgehebel­t wird, nein, die Wirtschaft­skammer höchstselb­st bestimmt in Zukunft, wie das Umweltvert­räglichkei­tsprüfungs­gesetz in dieser Frage vollzogen werden soll“, kritisiert der grüne Landesrat. Damit sei endgültig klar, „dass nicht einmal mehr eine faire Interessen­abwägung zwischen Umwelt- und Wirtschaft­sinteresse­n stattfinde­t, sondern die Wirtschaft­skammer sagt, wo es langgeht.“

Leonore Gewessler, Geschäftsf­ührerin von Global 2000, sprach von einer „weiteren Runde im Generalang­riff der Regierung auf die Errungensc­haften des Umweltschu­tzes in Österreich“. Aus der ÖVP, die den Antrag betrieben hat, war am Mittwoch keine Stellungna­hme zu erhalten.

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