„Ärgern? Tun mich nicht aufgepumpte Bälle“
Salzburgs Erfolgstrainer Marco Rose über das heutige Bonusspiel gegen Celtic Glasgow, Titelträume in der Europa League und was er sich zu Weihnachten wünscht. Fußball spielt dabei übrigens keine Rolle.
SALZBURG. Marco Rose setzt sich lässig in den roten Ledersessel in seinem Büro im Trainingszentrum in Salzburg-Taxham. Gestärkt mit einem Espresso, sagt der Trainer von Fußballmeister Red Bull Salzburg zielsicher: „Ich bin bereit.“Direkt hinter ihm hängt an der Pinnwand ein Foto von ihm selbst. Es zeigt einen besonders emotionalen Jubel von Rose nach dem Sieg im Prestigeduell gegen RB Leipzig, der den vorzeitigen Aufstieg ins Sechzehntelfinale der Europa League bedeutete. Insgesamt hat Salzburg in dieser Saison bisher 29 Pflichtspiele absolviert – und dabei keine einzige Niederlage kassiert. SN: Müssen Sie sich angesichts Ihrer Erfolgsserie selbst manchmal kneifen? Marco Rose: Nein, eigentlich nicht, weil wir diese Darstellung von außen intern gar nicht so wahrnehmen. Natürlich lesen wir davon und werden dadurch immer wieder an diese tollen Rekorde erinnert. Aber am Ende ist das für uns kein entscheidender Faktor, weil wir uns bei jedem Spiel aufs Neue beweisen müssen und wissen, dass es schon nach dem Match gegen Celtic Glasgow anders aussehen kann. Irgendwann werden wir auch wieder verlieren. Aber natürlich versuchen wir, diesen Zeitpunkt so lang wie möglich hinauszuzögern. SN: Wie viel Können, Arbeit, Glück oder Zufall gehört zu so einem Lauf? Von allem ein bisschen etwas. Wenn man es prozentuell aufteilt, ist der größte Anteil sicher Arbeit, harte Arbeit. Im Training, in der Kabine, auf dem Spielfeld. Wir wissen, dass wir in diesen 29 Spielen hier und da auch das Quäntchen Glück dabei hatten. Aber dieses Glück haben wir uns im Endeffekt auch wieder erarbeitet. SN: Was macht den Unterschied zwischen dem FC Red Bull Salzburg 2017 und Ihrem Team 2018 aus? Der ist gar nicht so groß … Wir hatten das Glück, dass wir im vergangenen Jahr eine sehr willige, leistungsorientierte und qualitativ starke Mannschaft übernehmen durften. Das hat mir den Einstieg als Cheftrainer leicht gemacht. Wir haben auch sofort Ergebnisse gebracht. Das hat uns großes Vertrauen gegeben und uns in dem bestärkt, was wir hier machen.
Der Unterschied zu dieser Saison ist, dass wir uns schon kannten und uns damit besser aufeinander einstellen konnten. Wir im Trainer- team haben die Mannschaft in der Vorbereitung woanders abgeholt, was unsere gemeinsame Idee von Fußball betrifft. Es waren bereits viele Automatismen vorhanden. SN: Erfolge steigern die Erwartungshaltung. Was erwarten Sie sich noch von dieser Saison? Eine hohe Erwartungshaltung allein bringt ja noch keinen Erfolg. Aber wir werden versuchen, den Erwartungen gerecht zu werden. Ich freue mich, dass alle bei Red Bull Salzburg einen hohen Anspruch haben und sich riesig darauf freuen, was noch kommen wird. Im Team und im ganzen Drumherum ist eine gewisse Euphorie zu spüren. Dennoch ist es wichtig, im Hier und Jetzt zu bleiben und sich auf das Wesentliche zu fokussieren. SN: Das heißt, vom EuropaLeague-Finale darf man noch nicht träumen? Wir sollten nicht über das Finale (im Mai 2019 in Baku, Anm.) reden, sondern über das Spiel gegen Celtic Glasgow oder das Sechzehntelfinale, für das wir schon qualifiziert sind. Diese beiden Aufgaben werden schwer genug sein. Da hilft es dir nicht weiter, von Dingen zu träumen, die noch sehr weit weg sind. SN: Sagen Sie das auch Ihren Spielern? Die Jungs haben eine sehr gesunde Einstellung zu diesem Thema und leben das vor, was man normalerweise als Trainer versucht, in eine Mannschaft zu bringen: sich nie auf einem Erfolg auszuruhen und immer nach mehr zu streben. Deshalb versuche ich auch nicht, sie in ihrer Erwartungshaltung zu bremsen. SN: Gegen Celtic kann Salzburg die unglaubliche Siegesserie in der Europa League fortsetzen und nebenbei auch noch Schützenhilfe für RB Leipzig leisten. Was ist Ihnen wichtiger? Am wichtigsten ist mir, dass wir unseren Fans zeigen, was wir in einem Stadion mit 60.000 Zuschauern gegen einen großen Verein wie Celtic Glasgow imstande sind zu leisten. Der Rest ergibt sich von selbst. Wenn dabei eine perfekte Saison in der Europa League herausspringt und Leipzig dadurch weiterkommt, ist das okay für uns. SN: Themenwechsel: Wie sehr stört es Sie oder auch Ihre Arbeit mit der Mannschaft, wenn ständig Gerüchte über einen Wechsel nach Hoffenheim auftauchen? (überlegt kurz) Was soll ich da sagen … Ja, es nervt? Es gehört zum Geschäft und ich versuche damit umzugehen, aber ich glaube nicht, dass es uns in irgendeiner Art in unserer Arbeit beeinflusst, weder mich noch die Spieler. Obwohl ich schon dazu sagen möchte: Ich konzentriere mich gern auf das Wesentliche und finde es sehr schade, wenn solche Spekulationen mehr Raum bekommen als die großartigen Leistungen meiner Mannschaft. SN: Weihnachten steht vor der Tür: Gibt es einen sportlichen Wunsch ans Christkind? Punkt eins ist, dass wir die zwei noch ausstehenden Spiele gegen Celtic und am Sonntag in der Meisterschaft gegen St. Pölten gut über die Bühne bringen. Danach geht es in den wohlverdienten Urlaub. Wir geben den Jungs relativ lange frei, weil es eine extrem intensive Herbstsaison war, womit wir beim zweiten Wunsch wären: dass alle Spieler mit maximaler Frische im Kopf und im Körper im neuen Jahr nach Salzburg retour kommen. SN: Und was wünschen Sie sich persönlich? Weihnachten ist ein Fest, das gewisse Emotionen hervorruft. Es ist ein christliches Fest, bei dem es um menschliche Werte wie Nächstenliebe geht. Das ist ein wiederkehrendes Thema: Ich wünsche mir, dass sich die Leute bewusst machen, dass es in unserer Gesellschaft ein paar Dinge gibt, an denen man arbeiten sollte. Es gibt Themen, die sich verselbstständigen, es kommt zu einer gewissen Verrohung. Weihnachten sollte sensibilisieren und dazu ermuntern, Positives zu bewirken, jeder in seinem Rahmen und seinen Möglichkeiten. SN: Wie verbringen Sie Weihnachten? Auch ich werde meine Akkus aufladen. Ich freue mich auf die Tage mit meiner Familie in Leipzig. Silvester verbringe ich in Salzburg und fahre in die Berge. Ich werde versuchen, vom Fußball abzuschalten, auch wenn ich zugeben muss, dass das schwierig für mich ist (lacht). SN: Mit welchen drei Wörtern oder Sätzen würden Sie Ihr Jahr 2018 charakterisieren? Sehr intensiv. Ein langer, schöner Sommer. Und weil es in diesem Interview ja hauptsächlich um Red Bull Salzburg geht: ein sehr, sehr erfolgreiches Jahr für uns. SN: Was waren Ihre persönlichen Highlights? Ich könnte jetzt natürlich den Gewinn des Meistertellers nennen oder den Einzug ins Halbfinale der Europa League. Aber das eigentliche Highlight ist für mich, wie wir hier bei Red Bull Salzburg als Gruppe, als Team zusammengearbeitet haben. Ich kann mich auf jeden hier verlassen. Und die Spieler haben es immer wieder aufs Neue geschafft, eine gute, leistungsfördernde Atmosphäre zu erzeugen. Das ist nicht selbstverständlich und das findet man nicht bei vielen Vereinen. SN: Und was hat Sie 2018 am meisten geärgert? Das Europa-League-Aus gegen Marseille nach einer Fehlentscheidung des Schiedsrichters? Nein, das nicht. Natürlich war das eine ungerechtfertigte Ecke, die schließlich zum Tor geführt hat. Aber wir hätten auch anders verteidigen können, den Ball aus der Gefahrenzone wegköpfeln. Der Schiedsrichter hat ihn ja nicht selbst ins Tor geschossen. Wesentlich mehr ärgert mich, wenn wir zum Training rausgehen und die Bälle nicht anständig aufgepumpt sind. Das sind Kleinigkeiten. Aber man muss zuallererst die kleinen Dinge richtig machen, um für die großen Dinge bereit zu sein.