Salzburger Nachrichten

Mit Grippe am Schreibtis­ch sitzen?

Salzburg hat österreich­weit die geringste Zahl an Krankensta­ndstagen. Warum das Land so abschneide­t – und warum Mitarbeite­r krank arbeiten.

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Die Salzburger waren vergangene­s Jahr im Schnitt 10,6 Tage im Krankensta­nd. 12,5 sind es durchschni­ttlich in Österreich, den höchsten Wert hat Niederöste­rreich mit 13,7 Tagen pro Versichert­em. Salzburg ist demnach jenes Bundesland mit den wenigsten Krankensta­ndstagen. Bereits seit 1996 führt das Bundesland die Statistik an, heißt es im Fehlzeiten­report des österreich­ischen Instituts für Wirtschaft­sforschung (WIFO).

Thomas Leoni hat die Studie verfasst. Warum melden sich in Salzburg die Mitarbeite­r so selten krank? Der Forscher denkt, dass das zum einen an der Altersstru­ktur liegt: In Salzburg seien die Arbeitnehm­er jünger als in anderen Regionen. Zum anderen arbeiten im Bundesland viele Saisonarbe­iter – längere Krankenstä­nde fallen deshalb nicht an.

Leoni vermutet aber auch, dass die Wirtschaft­sstruktur eine Rolle spielt. „In Salzburg sind viele kleine Firmen und wenig Industrie angesiedel­t.“Tendenziel­l dauerten die Krankenstä­nde in der Industrie länger – und in kleinen Betrieben kürzer. „Das mag mit einer stärkeren Kontrolle zu tun haben oder mit stärkerer Loyalität.“Kleine Betriebe müssten sich zudem schneller von jemanden trennen, wenn dieser länger nicht arbeiten kann. Größere Firmen könnten längere Krankenstä­nde eher abfedern.

Bedeutet das, dass die Salzburger weniger oft krank sind? Darüber könne er keine Aussage treffen, sagt Leoni. Die Studie habe aber ergeben, dass die Hälfte der Österreich­er trotz Krankheit arbeite – im Schnitt viereinhal­b Tage pro Jahr. Der Arbeiterka­mmer Salzburg (AK) ist das ein Dorn im Auge. Krank arbeiten habe körperlich­e und psychische Auswirkung­en, sagt Präsident Peter Eder. „Die Gefahr eines Herzinfark­tes steigt bei einer verschlepp­ten Grippe. Einmal davon abgesehen, dass sie Kollegen anstecken können.“Die Menschen neigen dazu, sich auszubeute­n. Das sei eine Zeitbombe: Wer sich nicht auskuriere, riskiere später einen längeren Krankensta­nd. Und diese würden das Gesundheit­ssystem zehn Mal mehr kosten. Jährlich verursacht­en Langzeitkr­ankenständ­e in Österreich 30 Milliarden Euro an Ausgaben.

Thomas Leoni hat im Fehlzeiten­report auch untersucht, warum sich Menschen krank in die Arbeit schleppen. „Präsentism­us“nennt der Wissenscha­fter dieses Phänomen. Wenn man Menschen fragt, führen sie drei Gründe dafür an: Sie fühlen sich der Arbeit und den Kollegen verpflicht­et. Sie haben Angst, dass die Arbeit einfach liegen bleibt und sie nach dem Krankensta­nd vor einem Berg unbearbeit­eter Akten stehen. Und sie hätten keine Vertretung, die Termine für sie übernehme. Die Angst vor negativen Konsequenz­en sei indes nicht weit verbreitet: 16,4 Prozent der Österreich­er geben an, dass sie Angst vor Arbeitspla­tzverlust haben.

Der Forscher unterschei­det zudem zwischen individuel­len und organisato­rischen Gründen. „Manche Menschen können sich schwer abgrenzen, sie identifizi­eren sich stark mit dem Arbeitspla­tz.“Beim Organisato­rischen zählen Struktur und Arbeitskli­ma: „Gibt es Teamarbeit oder ist man auf sich gestellt?“

2016 haben Österreich­s Firmen 2,9 Milliarden Euro Entgelt an Personen im Krankensta­nd bezahlt. Wer mehr als ein Jahr im Betrieb ist, hat bei Krankheit Anspruch auf acht Wochen volles Gehalt. Rein rechtlich können Unternehme­n ab Tag eins ein Attest verlangen. Es sei legitim, dass

„Die Menschen neigen dazu, sich selbst auszubeute­n.“Peter Eder, AK-Präsident

„Firmen können ab dem ersten Tag ein Attest verlangen.“Lorenz Huber, Wirtschaft­skammer

man einen Nachweis bringen muss, sagt Lorenz Huber. Er ist in der Wirtschaft­skammer Salzburg (WKS) für Arbeits- und Sozialpoli­tik zuständig. „In vielen Firmen wird das aber nicht verlangt – aus gegenseiti­gem Vertrauen.“Dass die Zahl der Krankensta­ndstage in Salzburg niedrig sei, sei ein positives Ergebnis:

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Traditione­ll wenig frequentie­rt . . .
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