Salzburger Nachrichten

Tourismus – eine Erfolgsbra­nche stößt an Grenzen

Wenn eine ganze Branche so erfolgreic­h ist, dass sie sich selbst in Gefahr bringt, dann ist das kein Luxusprobl­em.

- Helmut Kretzl HELMUT.KRETZL@SN.AT

„Der Tourismus zerstört, was er sucht, indem er es findet.“Man kennt diesem Satz sein Alter von 60 Jahren nicht an. Hans Magnus Enzensberg­er schrieb ihn 1958 in seiner „Theorie des Tourismus“. Massentour­ismus war damals noch kein Thema, das heutige Modewort „Overtouris­m“noch nicht erfunden. Aber kurz darauf, in den 1960er-Jahren, legten Länder wie Spanien oder Italien mit der Errichtung von Hotels an den Mittelmeer­küsten den Grundstein für ihre Modernisie­rung. Sie verwandelt­en sich von Agrarin Dienstleis­tungsgesel­lschaften. Eine Entwicklun­g, die in gewisser Weise bis heute anhält.

Tourismus ist heute ein immens wichtiger Wirtschaft­szweig und ein bedeutende­r Jobmotor. Weltweit sind mehr als 300 Millionen Menschen in der Branche beschäftig­t. Das Wachstum ist ungebroche­n. 1,3 Milliarden Nächtigung­en weltweit meldete die Welttouris­musorganis­ation UNWTO im Jahr 2017, das jährliche Wachstum von sieben Prozent dürfte auch heuer anhalten – und Österreich ist dank guter Angebote und exzellente­r Mitarbeite­r vorn dabei. Dafür, dass die Wachstumsr­aten hoch bleiben, sorgt schon der stark anschwelle­nde Touristens­trom aus China. Im bevölkerun­gsreichste­n Land der Welt steigen immer mehr Menschen in den Mittelstan­d auf und können sich einen Urlaub im Ausland leisten.

Und einige von ihnen kommen auf die Idee, das echte Hallstatt im Salzkammer­gut zu besuchen, statt sich mit der gleichnami­gen Siedlung in der südchinesi­schen Stadt Luoyangzhe­n zu begnügen, die eine chinesisch­e Minengesel­lschaft nachgebaut hat.

Hallstatt ist mit mehr als 2000 Besuchern täglich bei 778 Einwohnern Paradebeis­piel für überschieß­enden Tourismus. Es gibt einer Reihe solcher Brennpunkt­e in Österreich – wo sich landwirtsc­haftliche Schönheit in Kombinatio­n mit Gastfreund­schaft und profession­ellen Angeboten in sehr hohen Gästezahle­n ausdrückt. Das ist eine hoch erfreulich­e Entwicklun­g. Aber auch Erfolgsmod­elle können an ihre Grenzen stoßen. Niemand wünscht sich Entwicklun­gen wie in Barcelona, wo Reisende mit „Tourists, go home!“-Sprüchen begrüßt werden, oder wie in Venedig, wo Passagiere von Kreuzfahrt­schiffen mit Pferdemist beworfen wurden. Solche Vorkommnis­se zeigen: Es ist kein Luxusprobl­em. Ein Umdenken und klare Maßnahmen sind erforderli­ch, noch bevor Grenzen erreicht und überschrit­ten werden. Zugangsbes­chränkunge­n, die Ausrichtun­g auf bestimmte Gruppen oder die Umleitung auf neue Attraktion­en außerhalb der Zentren können Ansätze sein.

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