Neue Sozialhilfe kostet mehr
Die Sozialministerin empfängt die Sozialreferenten der Länder. Deren Vorsitzender hält den Plan der Regierung für „weltfremd“, dass die Änderungen im Herbst 2019 in Kraft treten können.
WIEN. Eine Menge Gesprächsbedarf hat sich bei den Sozialreferenten der Länder vor ihrem heutigen Treffen mit Ministerin Beate HartingerKlein (FPÖ) zur Mindestsicherung aufgestaut. Zwei Wochen sind vergangen, seit das Sozialressort den Entwurf für ein Sozialhilfe-Grundsatzgesetz in Begutachtung geschickt hat. Es wird dem Bund erlauben, den Ländern Vorgaben für die Gewährung der Hilfsleistung zu machen, womit österreichweit wieder einigermaßen einheitliche Regeln gelten sollten. Verhandelt mit den Ländern wurde bisher nicht.
Heraußen ist unterdessen, dass die türkis-blaue Reform der Mindestsicherung kein Geld sparen wird. Im Gegenteil: Wie aus dem Kleingedruckten der „wirkungsorientierten Folgenabschätzung“hervorgeht, wird das Grundsatzgesetz für Mehrkosten in den Ländern sorgen. Das u. a. deshalb, weil die Kürzungen bei kinderreichen Familien sowie der Ausschluss subsidiär Schutzberechtigter von der Sozialhilfe durch mehr Geld für Alleinerziehende und behinderte Menschen übertroffen werden. Jedenfalls geht das Sozialministerium davon aus, dass 2020 Mehrkosten in der Höhe von nicht ganz 6,7 Mill. Euro entstehen, die bis 2022 auf 14,6 Mill. Euro steigen könnten.
Salzburgs Soziallandesrat Heinrich Schellhorn (Grüne), derzeit Vorsitzender der Landessozialreferenten, hält es für „vollkommen unrealistisch“, dass die Reform, wie von der Regierung erhofft, im Herbst 2019 in Kraft treten kann. Dazu seien nicht nur viel zu viele Fragen offen, den Ländern werde auch der Umsetzungszeitraum von nur sechs Monaten nicht reichen. „Das ist weltfremd“, sagt Schellhorn, zumal eine komplette Verfahrensumstellung notwendig sei.
Er wird die Sozialministerin heute mit der Forderung der Länder konfrontieren, dass nach Ende der Begutachtungsfrist im Jänner „das stattfindet, was längst hätte stattfinden sollen“: ein Treffen auf Verwaltungsebene, um alle Einwände sachlich zu besprechen und mögliche Verfassungswidrigkeiten – „und da gibt es einige“(Schellhorn) – zu beseitigen. Danach sollte es die seit Monaten verlangte politische Runde geben. Und erst dann sollte das Gesetz fertig für den Beschluss gemacht werden.
„Riesenprobleme“sieht der Vorsitzende der Sozialreferenten nicht nur darin, dass die Kinderzuschläge ab dem dritten Kind extrem gekürzt werden. Auch eine Reihe anderer Punkte sei hochproblematisch. So könnten bei wortwörtlicher Interpretation des Grundsatzgesetzes Obdachlose um die Sozialhilfe umfallen, weil sie keinen Hauptwohnsitz haben.
Keine Frage ist, dass die Neuregelung der Sozialhilfe in erster Linie Wien treffen wird. Allein deshalb, weil hier 60 Prozent aller Mindestsicherungsbezieher leben. Entsprechend geladen ist Wiens Sozialstadtrat Peter Hacker (SPÖ). Gegenüber der APA spricht er von einem „untauglichen“und „peinlichen“Gesetzesentwurf. Empört ist er über den Plan der Regierung, von den Ländern künftig genaue Statistiken über die Leistungsbezieher (Staatsangehörigkeit, Migrationshintergrund etc.) zu verlangen. Derart systematische Abfragen habe es zuletzt „im Dritten Reich“gegeben, befindet Hacker.