Salzburger Nachrichten

Eine Wende, aber noch kein Ende

Die EZB kauft ab 2019 keine neuen Wertpapier­e mehr. Ein Zinsschrit­t ist aber noch weit entfernt.

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Im März 2015 hatte die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) begonnen, Staats- und Unternehme­nsanleihen vom Markt zu kaufen. In diesem Zeitraum hat sie Wertpapier­e im Volumen von 2,5 Billionen Euro erworben und so Geld in die Märkte gepumpt, um die Erholung der Wirtschaft der Eurozone zu unterstütz­en. Zu Jahresende ist damit Schluss, die EZB werde ab 2019 keine neuen Wertpapier­e mehr kaufen, bestätigte EZB-Präsident Mario Draghi am Donnerstag nach der Sitzung des EZB-Rats.

Der hatte die Grundsatze­ntscheidun­g zum Ausstieg aus dem Kaufprogra­mm bereits im Juni getroffen, nun wurde sie festgezurr­t. Das bedeutet aber keineswegs das Ende der extrem expansiven Geldpoliti­k der EZB, weil es nur ein halber Ausstieg aus dem APP (Asset Purchase Programme) ist. Denn die Beträge aus den Tilgungen der in der EZBBilanz stehenden Wertpapier­e werden weiter reinvestie­rt, sagte Draghi. Wie lang, das behalten sich die Hüter des Euro vor. Man einigte sich auf die Formulieru­ng „für längere Zeit über den Zeitpunkt hinaus, wenn der EZB-Rat mit der Erhöhung der Leitzinsen beginnt“.

Ob dieser Schritt noch in Draghis Amtszeit, die Ende Oktober 2019 ausläuft, fallen wird, ist offen. Draghi sagte lediglich, dass der Leitzins „jedenfalls noch über den Sommer 2019 auf dem gegenwärti­gen Niveau“bleibe. Das sind null Prozent. Die Entscheidu­ng sei einstimmig getroffen worden, betonte er.

Auf die Frage, ob eine Situation eintreten könnte, in der die Käufe im Zuge des APP wieder aufgenomme­n werden müssen, sagte Draghi: „Das mussten wir nicht besprechen.“Er bestätigte allerdings, dass die Instrument­e des sogenannte­n Quantitati­ve Easing (QE), also alle Maßnahmen der außergewöh­nlichen Geldpoliti­k, „jetzt ein permanente­r Teil unseres Werkzeugko­ffers sind“. Es sei erfreulich, dass der Europäisch­e Gerichtsho­f (EuGH) in seinem Urteil diese Woche klargestel­lt habe, dass die EZB damit ihr Mandat nicht verletze. Ob man diese oder andere Instrument­e einsetze, entscheide die EZB allerdings „völlig unabhängig“, sagte Draghi.

Die Geldpoliti­k der EZB ist laut Draghi „der entscheide­nde Treiber der Konjunktur­erholung im Euroraum“gewesen. Im Hinblick auf zunehmende Risiken in der Weltwirtsc­haft und eine allmählich­e Abkühlung des Konjunktur­klimas sei aber weiter Unterstütz­ung seitens der Geldpoliti­k nötig. Draghi bestätigte, dass die zunehmende­n Risiken die Debatte im EZB-Rat bestimmt hätten. Man sei zwar weiter zuversicht­lich, aber zunehmend vorsichtig.

Noch seien die Treiber der Erholung in Kraft, sagte Draghi, der Konsum lege wegen der höheren verfügbare­n Einkommen zu, die Investitio­nen seien robust, wenn auch schwächer als zuletzt. Als Gründe nannte Draghi geopolitis­che Risiken, die Anfälligke­it aufstreben­der Volkswirts­chaften für Rückschläg­e, die Volatilitä­t an den Finanzmärk­ten sowie die Bedrohung durch protektion­istische Tendenzen. Dass die Unsicherhe­it zunehme, ist laut Draghi auch daran abzulesen, dass die Risikopräm­ien seit der Ankündigun­g im Juni, das Kaufprogra­mm zu beenden, gestiegen sind.

Die höhere Unsicherhe­it schlägt sich auch in den Erwartunge­n der EZB-Ökonomen nieder. Sie haben die Prognose für das Wirtschaft­swachstum im Euroraum für heuer und 2019 leicht gesenkt, auf 1,9 Prozent heuer und 1,7 Prozent 2019. In der Folge soll die Wirtschaft­sleistung um 1,7 (2020) und 1,5 Prozent (2021) steigen. Zuversicht­lich macht die EZB die robuste Inlandsnac­hfrage in der Eurozone, die aus den höheren verfügbare­n Einkommen resultiere. Der robuste Arbeitsmar­kt und steigende Löhne würden sich mittelfris­tig in höheren Inflations­raten niederschl­agen und sich dem Zielwert der EZB annähern. Sie strebt bekanntlic­h eine Inflations­rate von knapp unter 2 Prozent an. Laut den EZB-Ökonomen sollen die Preise heuer um 1,8 Prozent und 2019 um 1,6 Prozent steigen. Danach wird ein Anstieg von 1,7 (2020) bzw. 1,8 Prozent (2021) erwartet.

Das Stillhalte­n an der Zinsfront bedeutet, dass Geschäftsb­anken bis auf Weiteres Geld zum Nulltarif von der Zentralban­k erhalten, allerdings auch unveränder­t 0,4 Prozent Strafzins zahlen, wenn sie Geld bei der EZB parken. Für Sparbuchbe­sitzer setzt sich die Malaise fort. Sie müssen weiter zusehen, wie ihr Guthaben an Wert verliert. Unter Abzug der Inflation sind die Zinsen weiter negativ. Und werden es auch nach einem ersten Zinsschrit­t noch für geraume Zeit sein.

„Geldpoliti­k war wichtig für die Erholung.“Mario Draghi, Präsident der EZB

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BILD: SN/AP Die EZB leitet die Wende in der Geldpoliti­k sehr behutsam ein.
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