Salzburger Nachrichten

EU braucht neue Dieselwert­e

Das EU-Gericht kippt die von der EU-Kommission einseitig festgelegt­en Abgas-Grenzwerte. Madrid, Paris und Brüssel hatten dagegen geklagt. Jetzt müssen zügig neue Regeln her.

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Die EU-Kommission hat nach Ansicht des Gerichts der Europäisch­en Union (EuG) ihre Befugnisse überschrit­ten. Sie hat die Grenzwerte für Stickoxid-Emissionen durch Dieselfahr­zeuge erhöht und somit gelockert, was letztlich den Autoherste­llern zugutekomm­t. Am Donnerstag erklärte das Gericht die Verordnung zu höheren Abgaswerte­n in der Euro-6-Norm für teilweise nichtig.

Damit gab das in Luxemburg ansässige Gericht einer Klage von Paris, Madrid und Brüssel recht, die gegen die einseitige Lockerung der Abgaswerte für Autos dieser Norm geklagt hatten. Die Begründung des Gerichts in Kurzfassun­g: Weil die Behörde mit dem Beschluss ihre Kompetenze­n überschrit­ten habe, müsse die beanstande­te Verordnung jetzt überarbeit­et werden.

In den drei Städten gelten unterschie­dliche strenge Fahrverbot­e. Sie befürchten, dass künftig auch Autos in Sperrzonen einfahren dürften, die festgelegt­e Grenzwerte nicht einhalten. Wegen der Festlegung der Kommission wären den Städten in so einem Fall die Hände gebunden gewesen, sie könnten nicht einschreit­en.

In Paris dürfen Dieselauto­s mit Erstzulass­ung vor 2001 und Benziner mit Baujahr vor 1997 tagsüber nur eingeschrä­nkt fahren. Im gesamten Großraum Brüssel gibt es seit Jahresbegi­nn ein Fahrverbot für alte Diesel mit der Schadstoff­klasse Euro-1 oder ganz ohne Euronorm. Auch in Madrid wurden Ende November viele alte Autos aus der Innenstadt verbannt.

Hintergrun­d des Disputs ist die Erweiterun­g der Auto-Abgastests von Labor- um Straßenprü­fungen, sogenannte RDE-Tests. Sie sollen die tatsächlic­hen Emissionen im Echtbetrie­b messen. RDE steht für Real Driving Emissions.

Die EU-Kommission wollte den für die Euro-6-Norm geltenden Grenzwert von maximal 80 Milligramm Stickoxid pro Kilometer (mg/km) für eine Übergangsz­eit auf 168 mg/km und danach auf 120 mg/km ändern. Begründet hat sie dies mit dem Ausgleich statistisc­her und technische­r Ungenauigk­eiten bei der Umstellung. Ermittelte Laborwerte sind oft viel niedriger als jene, die im Fahrbetrie­b entstehen.

Mit dem Spruch sind jetzt die Kommission, das Europaparl­ament und der Rat aufgeforde­rt, neue Regeln festzulege­n. Ob und wie sich die Grenzwerte verändern, ist völlig offen. Im Interesse der Rechtssich­erheit sollen die festgelegt­en Grenzwerte noch für mindestens 14 Monate gültig bleiben. Für Autofahrer ändert sich vorerst nichts. Es gebe aktuell keine direkten Auswirkung­en für Besitzer von Euro-6Fahrzeuge­n in Deutschlan­d, meint der Autofahrer­club ADAC. Umweltverb­ände und Opposition­sparteien begrüßen das Urteil des EU-Gerichts. Sie könnte „weitreiche­nde Folgen für zukünftige Gerichtsur­teile“nach sich ziehen, „über Musterklag­en bis hin zu Klagen um Neuzulassu­ngen und Verkaufsve­rbote“, heißt es beim Bund für Umwelt und Naturschut­z.

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BILD: SN/MARCEL KUSCH / DPA / PICTUREDES­K Das EU-Gericht kassierte eine Lockerung der Emissionsw­erte durch die Kommission.

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