Auf Mozart wartet eine digitale Revolution
Noten umblättern war einmal: Ein Großprojekt will Mozarts Werk interaktiv zugänglich machen – und seine musikalische DNA freilegen.
Wie hätte W. A. Mozart reagiert, wenn ihm die Idee zu Ohren gekommen wäre? Vielleicht hätte er erst einmal geschluckt. Als Komponist musste er ständig fürchten, dass seine Noten allzu leicht in andere Hände gelangen könnten. Deshalb wachte er genau darüber, wie seine neuen Werke in Umlauf kamen. „Ich selbst lasse alles in meinem zimmer und in meiner gegenwart abschreiben“, berichtete Mozart seinem Vater 1784 in einem Brief. Denn nicht selten betätigten sich die Notenkopisten, die seine Partituren auftragsgemäß abschreiben sollten, heimlich als Raubkopierer des 18. Jahrhunderts.
In der digitalen Ära hingegen sollen nun möglichst viele Nutzer den Zugang zu Mozarts Gesamtwerk bekommen – gratis, und vor allem interaktiv. Mit heimlichen Kopien hat die Initiative freilich nichts zu tun: Das wegweisende Projekt entstand in Kooperation zwischen der Salzburger Stiftung Mozarteum und dem US-amerikanischen Packard Humanities Institute.
„Mozart digital – ist das ein Sakrileg?“, fragte Stiftungspräsident Johannes Honsig-Erlenburg dennoch bei der Vorstellung der „Digitalen Interaktiven Mozart Edition“(DIME) am Freitag. Seine Antwort: Nein, es sei vielmehr „eine Revolution“.
Digital und frei zugänglich ist Mozarts Schaffen zwar bereits seit 2005. Damals wurde die gesamte „Neue Mozart-Ausgabe“(kurz NMA) erstmals online freigeschaltet. Der Schritt war eine Pioniertat auf dem Gebiet der musikalischen Gesamtausgaben. Doch während in der „NMA online“nur die Seiten der gedruckten Notentexte und der Kritischen Berichte als Digitalbilder herunterzuladen seien, sei „DIME“nun die erste volldigitale Edition, erläuterte Ulrich Leisinger, der wissenschaftliche Leiter der Stiftung Mozarteum. 25.000 Seiten Notentext seien dafür in maschinenlesbaren Code übersetzt worden.
Er sei die Grundlage dafür, dass Nutzer nun in einem eigenen „Mozart Score Viewer“den Werken interaktiv näherkommen können, indem sie sich etwa einzelne Stimmen eines Quartetts anzeigen lassen, Fassungen vergleichen oder Referenzaufnahmen abspielen, zu denen der Notentext synchronisiert mitläuft.
Der Aufwand ist groß: „Jedem Notenzeichen ist ein Code zugeordnet“, erläuterte Cheflektor Norbert Dubowy. Dieser stelle freilich nicht „die Seele von Mozarts Musik dar“. Dennoch sei in dem Quellcode gleichsam das Erbgut der Werke enthalten – also die DNA der NMA.
Eine Pioniertat ist es auch diesmal: Mozart ist bisher der einzige Komponist mit interaktiver Gesamtausgabe im Netz. Ausprobieren lässt sich „DIME“zunächst an ausgewählten Werken. Knapp 1000 Seiten seien bisher volldigital ediert, die komplette Arbeit könnte in zehn Jahren abgeschlossen sein. Auf rund 100.000 Euro Sachkosten pro Jahr plus Personalkosten für das Editorenteam belaufe sich das Projekt, das für Wissenschaft, Pädagogik und andere Interessentenkreise „ein Quantensprung“werden solle, hieß es bei der Präsentation am Freitag.
„Auch Entwicklern neuer Apps soll der Code offenstehen.“
Mozart-Edition