„Bei uns gibt es keinen Anstieg“
Immer wieder kommt es zu Gewalttaten an Schulen. Aber nehmen sie wirklich rasant zu? Eine Expertin kann dies nicht bestätigen.
Ein 14-Jähriger Syrer hat in der Neuen Mittelschule Neubaugasse einen 16-jährigen Landsmann bei einem Streit mit dem Messer verletzt. Eine Meldung, die die Diskussion um Gewalt an den Schulen erneut angefacht hat. Dazu gibt es auch Zahlen. Im Schuljahr 2017/18 hat es in Wien 258 Anzeigen wegen Gewaltvergehen an Schulen gegeben. Was ist also los an den österreichischen Schulen?
Jemand, der wissen muss, was sich an den heimischen Schulen abspielt, ist die Leiterin von Rat auf Draht, Birgit Satke. Unter der Notrufnummer 147 bietet Rat auf Draht bereits seit 1987 Beratung für Kinder und Jugendliche, die in Schwierigkeiten stecken, und deren Bezugspersonen an. Rat auf Draht wird von SOS Kinderdorf betrieben. Satkes Resümee: „Bei Rat auf Draht gibt es keinen Anstieg der Beratungen wegen Gewalt in der Schule.“Im Jahr 2018 habe es telefonisch rund 200 Anfragen wegen körperlicher und 180 wegen psychischer Gewalt gegeben. Dazu kämen noch schriftliche Anfragen, 20 wegen körperlicher und 25 wegen psychischer Gewalt. In den Jahren zuvor seien es ähnlich viele gewesen, sagt Satke. Rat auf Draht ist übrigens die einzige österreichweite Beratungsstelle zu diesem Thema.
Verharmlosen dürfe man das Thema aber keinesfalls, sagt Satke. Körperliche Gewalt, vom Stoßen bis zum Schlagen, sei von den Schulen zu ahnden. „Es kommt oft darauf an, wie die Schule mit diesem Thema umgeht“, sagt Satke. Es müsse klar sein, dass es vonseiten der Schule keine Toleranz für Übergriffe gebe. Wobei die Bandbreite der Vorkommnisse sehr groß sei. Diese reichten von verbalen Drohungen über Stöße bis zu Schlägereien mit Verletzungen. Und natürlich dürfe man auch Mobbing, das sich auch außerhalb der Schule in den sozialen Netzwerken abspiele, nicht außer Acht lassen.
Satke kann anhand ihrer Daten nicht sagen, dass ein Schultyp besonders heraussticht. Gewalt in den verschiedensten Formen komme sowohl in der Volksschule, der Neuen Mittelschule als auch im Gymnasium vor.
Die ÖVP fordert hingegen Konsequenzen nach den Vorkommnissen an der Wiener Schule. Es bestehe Handlungsbedarf bei Gewaltvorfällen und der Gewaltprävention. Im konkreten Fall müsse es Aufklärung und schulinterne Konsequenzen geben, sagen der Sicherheitssprecher der Wiener ÖVP, Karl Mahrer, und Bildungssprecherin Sabine Schwarz. Die beiden fordern außerdem eine Dokumentation von Gewaltvorfällen aller Art sowie deren Offenlegung. „Wir müssen den Schulleitern und Lehrern Mut machen, derartige Vorfälle zu melden, um so die Sicherheit von Lehrern und Schülern an den Wiener Schulen zu erhöhen. Der richtige Umgang mit Gewalt ist wesentlich“, sagen Mahrer und Schwarz und drängen auf die Einführung flächendeckender verpflichtender Anti-Gewalt-Schulungen, die auch auf Cyber-Gewalt, Deradikalisierung und Information zur Strafmündigkeit eingehen sollten. Diese Schulungen für Elf- bis 14-Jährige sollen in allen Wiener Schulen stattfinden.