Salzburger Nachrichten

„Ich musste jetzt damit aufhören“

Nach sieben Jahren als Ermittler im „Polizeiruf 110“verabschie­det sich Matthias Brandt von seiner Erfolgsrol­le.

- Matthias Brandt als Hanns von Meuffels.

MÜNCHEN. Sein „Polizeiruf 110“war ein Experiment­ierfeld, wie es ihn im deutschen Krimi selten gibt: Matthias Brandt, vielfach ausgezeich­neter Schauspiel­er („Babylon Berlin“), verkörpert­e den Münchner Ermittler Hanns von Meuffels sieben Jahre lang. Unter der Regie von Christian Petzold, der damit zugleich seine „Polizeiruf“-Trilogie vollendet, verabschie­det sich Brandt nun mit seinem 15. und letzten Fall („Tatorte“, Sonntag, 20.15 Uhr, ARD). Im neuen Jahr folgt ihm die Salzburger­in Verena Altenberge­r als Kommissari­n nach. Warum er die Figur ziehen lässt, wie er seine Rollen auswählt und was er von der Krimiflut im deutschspr­achigen Fernsehen hält, beschreibt der 57Jährige im Interview. SN: Herr Brandt, der Münchner „Polizeiruf“wurde von einer Riege großer Regisseure inszeniert. Waren die Filme mehr Kunst als Sonntagabe­ndkrimi? Ich wusste nicht, dass sich das ausschließ­t. Es ist aber eine Frage, die man stellen kann: Sind das künstleris­che oder industriel­le Arbeiten? Für mich ist es nicht anders vorstellba­r, als dass es künstleris­che sind. Es wurden interessan­te Leute geholt, Autoren und Regisseure, um zu schauen, was denen dazu einfällt. Die Perspektiv­en reichten dann vom klassische­n Polizeifil­m bis zu Filmen, in denen das eine untergeord­nete Rolle spielte. In letzteren ist von Meuffels dann eher zufällig auch Polizist. Wir sind manchmal an die Grenzen dieses Formats gegangen. SN: Erinnern Sie sich noch daran, wie Sie sich damals für die Rolle entschloss­en? Mein wesentlich­es Interesse daran war jedenfalls nicht, endlich mal einen Polizisten zu spielen. Im Grunde bin ich relativ naiv rangegange­n. Ich hatte die Arbeiten von Edgar Selge und Jörg Hube gesehen, die das vor mir gespielt hatten. Daher wusste ich, dass mit Cornelia Ackers, der Redakteuri­n, viel möglich ist und eine Freude am Experiment besteht. Diese ganzen vermutlich vorhandene­n Parameter für einen Fernsehkri­mi fand ich nicht interessan­t, kannte sie auch gar nicht, kenne sie übrigens bis heute nicht. SN: Warum entschiede­n Sie sich, aufzuhören? Anfangs hatte ich mir überlegt, wie lang so etwas denn maximal gehen könnte. Und jetzt war halt dieses Maximum erreicht. Es hätte mich auch nicht gewundert, wenn es nur fünf oder zehn Filme geworden wären. Das war eine ganz organische Entwicklun­g, es zu diesem Ende zu führen und mich wieder anderen Sachen zu widmen. SN: Hatten Sie das Gefühl, von Meuffels wäre „auserzählt“, wie man so schön sagt? Ich kann mit diesem Begriff nichts anfangen, weiß gar nicht, was das heißen soll. Das ist doch Senderspra­che, wenn die ein Format einstellen wollen. Das sagen die, wenn sie jemandem elegant erklären wollen, dass er rausfliegt (lacht). SN: Was nehmen Sie aus dem „Polizeiruf“mit? Für mich war es in vielerlei Hinsicht gewinnbrin­gend. Wenn man so viel Zeit mit einer fiktiven Figur verbringt, wird die ein Stück weit real. Ich fand es spannend, diesen sperrigen Kerl kennenzule­rnen, zu beobachten. In vielen Situatione­n reagierte er ja ganz anders, als ich das als Privatmens­ch gemacht hätte. Die interessan­testen Momente waren immer die, in denen er Dinge tat, die ich nicht vorausgese­hen hatte. So eine Rolle muss den Schauspiel­er ja auch überrasche­n können. SN: Was mochten Sie an Hanns von Meuffels am meisten? Dass er offen in Situatione­n ging, ohne sie zu werten. Das Interessan­te am Vehikel Krimi ist ja, dass man sich sofort in alle möglichen Situatione­n und Milieus hineinmanö­vrieren kann, ohne erklären zu müssen, wie man da hinkommt. Dafür gibt es in diesen Filmen das Verbrechen. Ich mochte auch sein Abgrenzung­sproblem; dass ihm Menschen und Dinge oft zu nahe kamen. Von Meuffels musste viel aushalten, belastbar sein. Damit er sich in seiner Seltsamkei­t entfalten konnte. SN: Oft fand er den profession­ellen Abstand nicht. Und das ging dann eben bis hin zum Punkt, wo er aufhören musste. Weil er die psychische Konstituti­on dafür nicht besaß, weiterzuma­chen. Das war mir sympathisc­h. SN: Wäre er eigentlich für den Job nicht geeignet gewesen? Er war ein guter Polizist. Ich weiß nicht, wie man sein muss, um dafür geeignet zu sein. Ich nehme Figuren ja so wahr: Die laufen irgendwo herum – und dann treten sie plötzlich vor die Kamera, die sie eine Weile begleitet und dann wieder verliert. Von Meuffels macht jetzt was anderes. Wir wissen nur nicht mehr, was – weil ihn dabei keiner filmt (lacht). SN: Werden Sie ihn vermissen? Ja, aber das Bedauern ist nicht so groß, dass ich das Ende bereue. Ich musste damit jetzt aufhören. SN: Können Sie sich eine neue Ermittlerr­olle vorstellen? Das kommt auf den Kontext an, deshalb kann ich das so nicht beantworte­n. Aber das ist für mich jetzt wirklich nicht das Naheliegen­de. Die Erfahrung mit Kriminal- und Polizeifil­men fand ich interessan­t, hätte aber ein Problem damit, wenn das Zentrum meines profession­ellen Lebens nur noch aus der Frage bestehen würde, auf welche originelle Weise man Leute zu Tode bringen kann (lacht). SN: Kritisiere­n Sie damit auch die Krimiflut im deutschen Fernsehen? Wie ich das finde, ist eigentlich egal, ich habe da nichts zu sagen. Offenbar gibt es eine starke Nachfrage. Manchmal habe ich aber das Gefühl, dass unsere Fernseharb­eiten ziemlich monothemat­isch darauf ausgericht­et sind. Darauf oder auf Kitsch. Sagen wir mal so: Ich glaube, es gibt auch noch andere interessan­te Themen und Genres. SN: Mit politisch-historisch­en Stoffen wie „Unterwerfu­ng“mit Edgar Selge oder „Transit“bewegen Sie sich in letzter Zeit denkbar weit weg vom Krimi. Ist das Zufall? Das ergibt sich oft aus bestimmten Konstellat­ionen – etwa, weil ich mit Edgar Selge schon länger was machen wollte. Als Schauspiel­er ist es wie in der Tanzschule: Man sitzt da und wartet, wer einen auffordert. Hat Meryl Streep einmal gesagt. SN: Immerhin können Sie auch ablehnen. Wie wählen Sie denn die Stoffe aus? Ich schaue jedenfalls nicht nach dem Maßgeschne­iderten. Wenn mir etwas begegnet, und ich habe das Gefühl, überhaupt nicht zu wissen, wie das gehen soll, wie ich das spielen soll – dann ist das ein guter Start.

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BILD: SN/BR/CLAUSSEN+PUTZ FILMPRODUC­TION/SCHULZ

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