#MeToo bewegt auch Österreich
Mit ihrem Outing als Vergewaltigungsopfer bricht die ehemalige Skirennläuferin Nicola Werdenigg ein Tabu auf. Die globale Kampagne habe Frauen Mut gemacht, sich gegen Alltagssexismus zu wehren, sagt die Autorin Elfriede Hammerl.
November über ihre eigenen Erfahrungen mit einer weitverbreiteten sexualisierten Gewalt und von systematischem Machtmissbrauch im Bereich des österreichischen Skisportbetriebs. Sie selbst sei im Alter von 16 Jahren durch einen Mannschaftskollegen und einen anderen Mann vergewaltigt worden, in ihrer aktiven Zeit sei es immer wieder zu Übergriffen durch Trainer, Betreuer, Kollegen und Serviceleute gekommen. Kurz vor diesem Outing hatte sich die Schauspielerin Nina Proll kritisch über die #MeToo-Bewegung geäußert. Sie empfinde sexuelle Annäherungsversuche eines Mannes als „grundsätzlich erfreulich“und sie habe dieses „kollektive Jammern satt“, sagte Proll. Und: „Dass Frauen einander auf die Schulter klopfen und schreiben, ,mir ist es auch passiert‘ und Geschichten von vor 20 Jahren auf den Tisch legen – das schwächt uns Frauen.“
Als eine der Ersten in Österreich hat die Autorin Elfriede Hammerl die #MeToo-Bewegung zum Anlass für Analysen genommen. Ein Jahr später zieht Hammerl eine erste Bilanz: „Dass gleich ganz Österreich verändert wurde, sehe ich nicht, das wäre zu hoch gegriffen. Ich glaube aber schon, dass die Debatte einiges an Bewusstseinsarbeit geleistet hat.“Hammerl hofft, dass „die Kampagne Frauen Mut gemacht hat, sich gegen Alltagssexismus zu wehren“. Erst habe es so ausgesehen, als seien vor allem Frauen aus bildungsnahen Schichten und mit öffentlichkeitswirksamen Berufen (Schauspielerinnen, Künstlerinnen, Sportlerinnen) mobilisiert worden. Aber das habe, sagt die Autorin, damit zu tun, dass die Medien gern auf Menschen mit Promifaktor fokussieren: „Wie viele andere Frauen einen Ermutigungsund Ermächtigungsschub bekommen haben, ist schwer feststellbar.“
Gefragt, ob es typisch österreichische Spezifika der #MeToo-Debatte gebe, nennt die Autorin die vielen „besonders wehleidigen Reaktionen von konservativer Seite“: „Diese Vielzahl an besorgten (Zeitungs-)Kommentaren nach dem Muster ,Aber wie sollen denn die armen Männer noch wissen, was ein Kompliment ist und was sexuelle Belästigung?‘ war schon auffallend und offenbarte ein verstörend schlichtes intellektuelles Niveau.“
Für Elfriede Hammerl geht es in der Causa #MeToo nicht um Sexualität, sondern um Machtausübung. Sexuelle Übergriffe dienten dabei als Instrument zur Machtdemonstration. Ihrer Meinung nach gibt es in Österreich in allen Bereichen noch viel aufzubrechen: „Soll heißen, die alten männerbündlerischen Machtstrukturen sind in Politik, Wirtschaft, Kunst und Wissenschaft immer noch erschreckend gut etabliert.“Ein besonders krasses Beispiel für ungebrochene Männermacht ist für Elfriede Hammerl die katholische Kirche. Im Betriebssytem Politik führte die #MeToo-Bewegung zum Rücktritt von Peter Pilz, der mit einer eigenen Liste bei der Nationalratswahl angetreten war. Nachdem die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen gegen Pilz eingestellt hatte, feierte dieser wieder ein Polit-Comeback. In der Kultur sollten 2018 Vorwürfe sexueller Belästigung zum Rücktritt von Gustav Kuhn, dem Gründer des Festivals Erl, führen.
Den von manchen männlichen Kommentatoren beschworenen neuen Geschlechterkampf sieht Hammerl nicht: „Ich hab das Wort Geschlechterkampf noch nie leiden können. Feministinnen setzen sich für eine geschlechtergerechte Welt ein und nicht für umgekehrten Sexismus.“Männer, die im Bemühen um Geschlechtergerechtigkeit eine Kampfaufforderung sehen, seien unfähig, Rollenklischees und Hierarchien kritisch zu hinterfragen. Die Gefahr, dass #MeToo wieder vergessen oder von anderen Themen verdrängt werde, sei gegeben, betont Hammerl. „Aber die Notwendigkeit, Frauen den Rücken zu stärken und gegen sexuelle Übergriffe auch politisch und mit entsprechendem Gesetzesauftrag vorzugehen, bleibt.“
„Die Debatte hat Bewusstseinsarbeit geleistet.“