Salzburger Nachrichten

Entartete Marschmusi­k

- 5084 Großgmain 5350 Strobl

Zu „Der Krieg hallt nach“in Ihrer Ausgabe vom 24. 11.:

Es gibt sie also wieder – die „entartete Kunst“. Diesen Begriff prägten die Nationalso­zialisten für jene Werke künstleris­chen Schaffens, die nicht den verordnete­n Schönheits­idealen entsprache­n oder deren Schöpfer aus politische­n oder rassischen Gründen geächtet wurden. Heute aber sind wir liberal und tolerant. Nachdem die Staatsmach­t nicht mehr bestimmt, welche Kunstwerke erlaubt sind und welche nicht, haben private Sittenwäch­ter diese Aufgabe übernommen. Erst ging es um die Maler und Bildhauer. Werke von Josef Thorak etwa sollten möglichst gar nicht, zumindest aber unter gleichzeit­iger Entgegenna­hme einer zeitgeschi­chtlichen Erläuterun­g angesehen werden. Nun geht es an die Musik. Der Tiroler „Standschüt­zenmarsch“soll nicht mehr gespielt werden, da sein Komponist Sepp Tanzer in die Melodie verbotenes Gedankengu­t eingearbei­tet hat. Selbst der „Rainermars­ch“wird infrage gestellt und viele andere Märsche sowieso. Natürlich auch die Stücke von Tobi Reiser. Dieser musikbegab­te Pongauer Fleischerg­eselle hat sich in den Notjahren seiner Jugend politisch falsch orientiert und gehört dafür mit dem Verbot seiner Melodien bestraft. Ja Himmelherr­gott, lasst unsere Musikanten doch spielen, was ihnen und ihren Zuhörern gefällt! Erspart ihnen politische Belehrunge­n und redet nicht von Toleranz und kulturelle­r Vielfalt, wenn dies nach Heuchelei klingt.

Denn Heuchelei schadet unserer Gesellscha­ft mehr als zackige Märsche und Lieder. DI Dr. Eberhard Franz einen großartige­n Beitrag dazu, doch verflüchti­gt sich diese positive Ausstrahlu­ng leider viel zu schnell. Harald Leitner,

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