Sterne zum Trinken
Die Geschichte der heimischen Sektproduktion beginnt in Frankreich. Heute ist Sekt in Österreich weit verbreitet. Mit der Großen Reserve wurde kürzlich ein neues Kapitel aufgeschlagen.
„Brüder kommt, ich trinke Sterne“, soll Dom Pérignon, Mönch und Kellermeister der Abtei Hautvillers, unweit von Epernay in der Champagne, ausgerufen haben, als er die Herstellung von prickelndem Wein entdeckte. Mit dieser Erfindung begann ein wahrer Boom und Aufschwung in der französischen Region, der auch jenseits der Grenzen Furore machte. Etliche deutschsprachige Familien suchten in der Champagne ihr Glück. Heute ist das noch an den Namen großer Häuser, wie Taittinger, Krug oder Bollinger zu erkennen. Nach einer Kaufmannslehre in Stuttgart kam auch der junge Stuttgarter Robert Schlumberger in die Champagne, um die Herstellung des Schaumweines in Reims bei Ruinart zu erlernen. Er hatte Talent, stieg dort bis zur Führungskraft auf. Auf einer Rheinfahrt lernte er während dieser Zeit die Wienerin Sophie Kirchner, Tochter eines Knopffabrikanten, kennen. Da ihre Eltern einem Umzug nach Frankreich nicht zustimmten, übersiedelte Schlumberger 1842 nach Österreich und heiratete Sophie. Mit dem Ziel, eine eigene Sektkellerei zu eröffnen, pachtete er Weingärten vom herrschaftlichen Zehentkeller in Bad Vöslau und produzierte fortan die „Perle von Vöslau“. Nach seinem Vorbild entstanden in der Folge etliche Kellereien in Österreich. Schlumberger gehört bis heute, nach einer langen Zeit mit Höhen und Tiefen, zu den fixen Größen der heimischen Schaumweinproduktion.
Mit dem Jahr 1979 kelterte Gerald Malat aus Furth-Palt im Kremstal erstmals Sekt nach traditioneller Methode in seinem Weingut. Somit war auch der österreichische Winzersekt aus der Taufe gehoben. Eine bemerkenswerte Erfolgsgeschichte begann. Neben Malat sind heute Namen wie Bründlmayer, Steininger, Loimer, Szigeti und einige mehr nicht mehr wegzudenken.
Um das Produktprofil zu schärfen und dem Kunden eine bessere Orientierung über den geschützten Ursprung zu geben, wurde 2015 vom österreichischen Sektkomitee eine gesetzlich verankerte Qualitätspyramide geschaffen (siehe Detailkasten). Seit 22. Oktober dieses Jahres und mit der Präsentation am Tag des Sekts ist die Pyramide nun komplett: Es kam erstmals die höchste Kategorie im Ranking, die Große Reserve, auf den Markt. Karl Steininger vom gleichnamigen Weingut in Langenlois keltert eine solche Große Reserve. Sie stammt von der Riede Panzaun, einem Hochplateau oberhalb des Ortes. Im Jahrgang 2013 wurden dafür herrlich ausgereifte Weißburgundertrauben geerntet und für ein halbes Jahr im kleinen Eichenholzfass ausgebaut. Der so entstandene Grundwein gärte durch die Zugabe von Zucker und speziell selektionierter Hefe ein zweites Mal in der Flasche. Nach einem anschließenden, ausgiebigen Hefelager entstand so ein sehr cremiger und fülliger Sekt, der sich hervorragend als Speisenbegleiter eignet. Denn: Sekt ist nicht, wie in vielen Köpfen verankert, ausschließlich ein Anlassgetränk oder Aperitif. Er ist viel mehr. Sekt eignet sich perfekt als Begleiter zum Essen. Je nach Art – weiß oder rosé, elegant oder kraftvoll, knochentrocken oder mit zarter Restsüße – passt er zu verschiedensten Gerichten. Er macht sich wunderbar zu Frischkäse und feinem Weichkäse, zu zarten Vorspeisen, natürlich zu Austern und Kaviar, zu Geflügelgerichten oder fruchtigen, nicht zu süßen Desserts und Keksen wie Vanillekipferl, Hausfreunde oder selbst gebackene Butterkekse.
In Niederösterreich, und dort speziell in der Gegend rund um Langenlois, hat sich über die Jahre eine wahre Sekthochburg entwickelt. Das Weingut Bründlmayer, im Herzen des Ortes gelegen, gehört seit den 1980ern zu den Größen der heimischen Sektszene. Willi Bründlmayer griff die Idee der Schaumweinherstellung in Flaschengärung seiner aus Frankreich stammenden Frau Edwige zuliebe auf, die sich einen hochwertigen Schäumer aus eigener Produktion gewünscht hatte. Heute kommt kaum mehr eine gute Weinkarte ohne Bründlmayer-Sekt aus. Neben dem klassischen Brut, dem trockenen, animierenden und beerenfruchtigen Rosé und dem herrlich straffen ExtraBrut, gibt es seit diesem Herbst auch eine Große Reserve. Die ChardonnayTrauben dafür stammen von den Südosthängen bei Langenlois. Das Herzstück der Pressung wurde im Stahltank vergoren, durchlief dort auch den biologischen Säureabbau und reifte noch einige Monate im großen Holz. Danach folgte die zweite Gärung für 36 Monate in der Flasche. Die Merkmale dieses besonderen Blanc de Blancs sind seine außergewöhnliche Finesse, die hochelegante Struktur und strahlende Mineralität. Und: Er reiht sich mühelos in die Riege der großen Schaumweine der Welt ein.
Als eines der besten Cool-ClimateWeißweinländer der Welt ist es keine Frage, dass Österreich auch ideale Voraussetzungen für die Herstellung von Schaumwein hat. Übrigens: Rund zehn Prozent der gesamten jährlichen Traubenernte kommen als Basis für Prickelndes in die Keller. Wichtig in Sachen Sekt ist natürlich nicht nur die Arbeit der Produzenten. Ein gutes Regelwerk mit exakten Definitionen und Kontrollen ist genauso essenziell. Mit der Sekt-Pyramide gibt es nun eine solche Basis. Sie legt unter anderem die Produktionsmethoden, die Lagerzeit und die Herkunft fest.
Auch Fred Loimer, wie Steininger und Bründlmayer ebenfalls in Langenlois daheim, keltert seit einigen Jahren wieder Sekt nach traditioneller Methode. Seine beiden Basis-Sekte, laut Pyramide als Reserve klassifiziert, kamen nach rund 17 Jahren Abstinenz in Sachen Schaumweinproduktion im Herbst 2015 auf den Markt. Heuer legte Loimer mit einer beeindruckenden, glasklar strukturierten Großen Reserve, einem Blanc de Blancs aus dem Jahrgang 2013, nach. Loimers Betrieb wird biodynamisch bewirtschaftet, somit sind auch die Trauben für den Sekt aus bio-zertifiziertem Anbau. Die Große Reserve besteht aus Chardonnay, Weiß- und Grauburgunder, die die Basis für ihre Cremigkeit und Eleganz liefern. Der Sekt reifte vier Jahre, also einige Zeit länger als gesetzlich vorgeschrieben, auf der Hefe in den Flaschen. Nach dem Degorgieren wurde keinerlei Süße zugegeben. Loimer beließ den Sekt ganz pur, mit seinem natürlichen Restzucker mit drei Gramm pro Liter. Er hat schlanke zwölf Prozent Alkohol und eine trinkfreudige Säure von knapp acht Promille. Er lässt sich jetzt bereits schon gut antrinken, hat aber, wie viele andere Großen Reserven, ein schönes Reifepotenzial. „Wahrscheinlich macht er erst in zwei bis drei Jahren so richtig großen Spaß“, meint der Winzer. Einfach Sterne zum Trinken.