Trumps alternative Wirklichkeit
Der Präsident behauptet, Opfer einer Hexenjagd zu sein. Die Ermittlungen gegen ihn, seine Geschäfte, seine Familie und seine Vertrauten haben sich auf 17 Straf- und Zivilsachen ausgeweitet.
In der Welt Donald Trumps gibt es zwei Realitäten. Die eine umfasst die Welt seiner Bewunderer auf Fox-TV, der rechten Einheizer im Talk-Radio und der Twitter-Sphäre. Wer nur hier unterwegs ist, muss tatsächlich den Eindruck gewinnen, es gebe eine Verschwörung von Justiz und Verwaltung gegen den Präsidenten. Ziel sei es, Trump zu Fall zu bringen. Wer gegen Trump aussagt, wird von ihm auf das Übelste beschimpft.
Die andere Wirklichkeit findet in der unabhängigen Justiz der USA statt. Sie webt auf allen möglichen Ebenen ein immer dichteres Netz aus straf- und zivilrechtlichen Ermittlungen um den Präsidenten. Zwei Jahre nach Trumps Wahl gibt es fast keinen Aspekt seines politischen Agierens sowie Privat- und Geschäftslebens, der nicht im Visier der Justiz ist. Selbst wenn er den FBI-Sonderermittler in der Russland-Affäre feuert, könnte Trump die inzwischen 17 Gerichtsverfahren kaum mehr stoppen.
Die jüngste Hiobsbotschaft erhielt Trump aus dem Bundesgericht des District of Columbia, wo Richter Emmet Sullivan völlig überraschend eine Vereinbarung zwischen Sonderermittler Robert Mueller und Trumps ehemaligem Nationalen Sicherheitsberater Michael Flynn kassierte. Statt des erwarteten Freispruchs wegen guter Kooperation stand plötzlich eine Haftstrafe im Raum – worauf der Urteilsspruch auf März verschoben wurde.
Bis dahin muss Flynn beweisen, dass er wirkliche Reue zeigt, statt so zu tun, als sei er von den Ermittlern des FBI zum Lügen verleitet worden. Genau das hatten Flynns Anwälte ins Gefecht geführt und damit eine Behauptung aus der Echokammer Trumps vorgebracht. Der Richter war darüber so empört, dass er Flynn mit Gefängnis drohte. Dieser musste schließlich bestätigen, dass er die FBIBeamten absichtlich und wissentlich über seine Russen-Kontakte belogen hat, was in den USA ein Strafdelikt ist.
Gleichzeitig platzte in New York Trumps Fiktion von der Gemeinnützigkeit seiner Stiftung. Die Chefanklägerin des Bundesstaats zwang den Präsidenten dazu, die Organisation zu schließen und das verbleibende Vermögen auszuhändigen. Generalstaatsanwältin Barbara Underwood will zudem 2,8 Millionen Dollar Wiedergutmachung für den Schaden, der den Steuerzahlern durch die Selbstbedienung Trumps an den Mitteln der Stiftung entstand.
Bereicherung zeichnet sich auch als zentrales Motiv in den Ermittlungen Muellers ab. Trump machte sich gegenüber Russland erpressbar, indem er sich um Wladimir Putins Segen für ein lukratives Wolkenkratzerprojekt in Moskau bemühte. Trumps damaliger Hausanwalt Michael Cohen umgarnte Putin geschäftlich, während ihn Flynn politisch zu stärken versuchte. Den Wählern versicherte Trump derweil, er habe keine Geschäftsinteressen in Russland.
Eine glatte Lüge, die Putin jederzeit hätte aufdecken können.
Vieles deutet darauf hin, dass der Sonderermittler und sein Team bei den Untersuchungen über die Aktivitäten von Trumps ehemaligem Wahlkampfmanager Manafort, seines langjährigen Adlatus Cohen sowie seines ehemaligen Sicherheitsberaters Flynn Hinweise, eventuell auch Bewiese für eine Kollaboration mit Russland gefunden haben – und auch für Versuche, diese Zusammenarbeit, die Trump zum Präsidenten machen sollte, zu vertuschen.
Ob Mueller wirklich kurz davor steht, seine Arbeit abzuschließen, kann niemand mit Gewissheit sagen. In jedem Fall werden die Ermittlungen eines Bundesgerichts von New York zu den Schweigegeldzahlungen an Trumps Geliebte fortgesetzt. Andere Ermittlungen befassen sich mit Steuerdelikten der Trump Organization, Vorteilsnahme im Amt und Unregelmäßigkeiten bei den Spenden zur Amtseinführung.
Einiges deutet darauf hin, dass sich die rechtlichen Probleme Trumps 2019 mit der neuen Mehrheit der Demokraten im Repräsentantenhaus vertiefen werden. Schon sehr bald könnte der Kongress die Herausgabe der Steuerunterlagen Trumps verlangen, die Einblick in seine Geschäftswelt verschaffen. Ebenso drohen Anklagen gegen seine erwachsenen Kinder und Schwiegersohn Jared Kushner.
Während Trump ein Ende der „Hexenjagd“verlangt, ging der Rechtsstaat vor dem Präsidenten bisher nicht in die Knie.
2019 wird ein schwieriges Jahr für ihn.