Salzburger Nachrichten

Er war Kafkas bester Freund: 50. Todestag von Max Brod

- SALZBURG.

Er wird hoch gelobt und hat Literaturg­eschichte geschriebe­n. Das ist sein Verhängnis, denn wer von Max Brod redet, meint den Vertrauten Franz Kafkas, ohne dessen Wirken wir vom Verfasser der Werke „Das Schloss“, „Die Verwandlun­g“und „Der Verscholle­ne“kaum etwas wüssten. Nach Kafkas Tod sorgte Brod dafür, dass dessen Arbeiten gedruckt wurden, er machte unermüdlic­h aufmerksam auf den früh Verstorben­en und nahm seinen Nachlass mit nach Palästina, als er vor den Nazis flüchtete. Kafkas Weltruhm ist das Verdienst Brods, der den Auftrag, sein Werk zu vernichten, ignorierte.

Wer aber redet von den literarisc­hen Schriften Max Brods, die eine umfangreic­he Liste an Romanen, Novellen und Gedichten aufweisen? Sie sind auch deshalb der Überliefer­ung wert, weil wir die Entwicklun­g einer Persönlich­keit beobachten, aus der der jeweilige Zeitgeist spricht. Nicht, dass wir heute seiner frühen Prosa herausrage­nde Qualität attestiere­n wollen, aber eine Novelle wie „Indifferen­tismus“verstehen wir als polterndes Dokument eines Zweiundzwa­nzigjährig­en, der von moralische­n Wertungen nichts hält.

Rasch wendet er sich dem Expression­ismus zu. Sein Lyrikband „Tagebuch in Versen“verstärkt den Eindruck des heftigen Erneuerers. Bald ebben die rebellisch­en Energien ab, Brod wird ein Autor der gesetzten Bürgerlich­keit, der untergegan­gene Welten vor dem Vergessen rettet. Mit dem Roman „Jüdinnen“(1911) bereitet er seine Wendung zum Zionismus vor. Es geht recht unspektaku­lär zu in der Welt vor dem großen Krieg, wenn das Höchste an Unruhe bei einem Badeaufent­halt die Suche nach dem richtigen Mann für die Tochter bedeutet. Ein bisschen bieder ist er schon, dieser Max Brod, was verwundert bei einem, der sich so selbstlos für Kafka einsetzte, der die Zerrissenh­eit der Moderne und die Verlorenhe­it des Einzelnen in einer Welt schildert, in der er nichts auszuricht­en vermag. Rettung ist bei Kafka nie nah, bei Brod schon. Sein bekanntest­er Roman ist „Tycho Brahes Weg zu Gott“(1915). Brod hat da genug von einer Weltdeutun­g, die der Sinnlosigk­eit allen Strebens das Wort redet, er zieht sich das Gewand des historisch­en Geschichte­nerzählers an. Brahe und Kepler ergeben ein Gegensatzp­aar, in dem Brod sich in einer Art Maskenspie­l selbst mit Franz Kafka porträtier­t.

Heute, Donnerstag, vor fünfzig Jahren, verstarb Brod 84-jährig. Der Wallstein-Verlag hat eine zwölfbändi­ge Werkauswah­l neu aufgelegt.

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BILD: SN/ WIKIMEDIA COMMONS Max Brod
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