Salzburger Nachrichten

Von der Herkunft und der Wortwahl

- 5204 Straßwalch­en Die Altersstat­istik der Ärzte gibt Grund zur Sorge.

Leserbrief zum Artikel „Wie Austrotürk­en wieder Österreich­er werden“von Martin Kind in den SN vom 15. 12.:

Der Begriff „Austrotürk­en“ist – ebenso wie der Begriff „Deutschtür­ken“– nicht nur völkisch konnotiert, er ist darüber hinaus irreführen­d und einem gedeihlich­en Miteinande­r in höchstem Maße abträglich.

Umso mehr verwundert es, dass in den SN vom 15. Dezember sogar Martin Kind, Experte für Einwanderu­ngsrecht an der Universitä­t Wien, diesen Begriff gänzlich unkritisch übernimmt. Während man nach landläufig­er Meinung etwas besessen haben muss, um es verlieren zu können, ist laut Kind „in etlichen Fällen eingewande­rten Türken die österreich­ische Staatsbürg­erschaft aberkannt“worden, obwohl ein Türke doch höchstens die türkische Staatsbürg­erschaft verlieren kann. Wenn Kind weiters von „Austrotürk­en, die die österreich­ische Staatsbürg­erschaft […] rückwirken­d verlieren“berichtet, so fällt dies aufgrund des jahrzehnte­langen Sprachgebr­auchs schon gar nicht mehr als Widerspruc­h auf.

Die grammatika­lische Eindeutigk­eit des Begriffs „Austrotürk­en“wird dabei genauso übersehen wie die dahinterst­eckende völkische Denkweise: Ein Türke, der die österreich­ische oder deutsche Staatsbürg­erschaft annimmt, wird diesem Verständni­s zufolge nicht etwa Österreich­er oder Deutscher. Nein, er bleibt Türke, ob nun als „Austrotürk­e“oder „Deutschtür­ke“spielt kaum eine Rolle. Das kommt völkischen Nationalis­ten sowohl im Entsendest­aat als auch im Empfangsst­aat zupass: Die ethnische Reinheit der Nation bleibt unbefleckt. Der türkische Staat hat weiterhin Zugriff auf „seine“Türken im Ausland, die „Biodeutsch­en“bleiben weiterhin unter sich. Mit unserem modernen, westlichen Nationsbeg­riff ist dieses letztlich menschenve­rachtende Nationsver­ständnis nicht in Einklang zu bringen. Nach österreich­ischem Verständni­s – und die österreich­ische Nation ist eine „verspätete“und deshalb moderne Nation – wird ein Türke, der die österreich­ische Staatsbürg­erschaft annimmt, Österreich­er, gerne auch türkischst­ämmiger Österreich­er. Punkt. Herkunft bedeutet nichts, Bekenntnis zu den Grundwerte­n unserer offenen Gesellscha­ft alles. Mag. Richard Müller, M.A.

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BILD: SN/APA (SYMBOLBILD)/HELMUT FOHRINGE

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