Zukunft einer aussterbenden Gattung
Betreffend den Artikel vom 17. 12. 2018: „Nach knapp 3- jähriger Suche gibt es eine neue Kinderärztin“...
Im Namen unserer Berufsgruppe und der zu versorgenden Kinder und Familien in der betroffenen Region kann man nur ein herzliches Dankeschön aussprechen – für eine Kollegin, die den Schritt in eine kinderärztliche Kassenpraxis wagt –, betrachtet man die Zahl der unbesetzten bzw. nicht nachbesetzbaren kinderärztlichen Kassenpraxen gesamtösterreichisch gesehen – speziell auch in einer Millionenstadt wie Wien. Nach einer informierenden Umfrage unter angestellten Kollegen/-innen und auch in persönlichen Gesprächen gewinnt man nämlich den Eindruck, die Arbeit in einer kinderärztlichen Kassenpraxis sei ähnlich anstrengend wie – etwas überspitzt formuliert – ein Einsatz für „Ärzte für die Dritte Welt“. Bürokratische Hürden, Urlaubs und Freizeitgestaltung, Jobsharing, unbefriedigende Tätigkeiten in fachlicher Hinsicht, Routine, dürftige Honorargestaltung, Vertretungsregelungen etc. sind nur einige Gründe, die genannt werden, eine Kassenpraxis nicht zu übernehmen oder zu gründen.
Selbst – dankenswerterweise – neu hinzugekommene monetäre Anreize in Wien (z. B. Starthilfebonus, fortlaufend bezahlte, allerdings limitierte finanzielle Zusatzleistungen) können die Kassenpraxisambitionen nicht wirklich steigern. (Wie übrigens auch schon eine Untersuchung der SV vor Jahren untermauert!)
Die optimale Ausbalancierung der berühmten Work-Life-(Money)-Balance wird in den Vordergrund gestellt – andere Arbeitszeitregelung im Spital, bessere Bezahlung, Sicherheit des Angestelltenverhältnisses sind Anreize, wohl doch im Krankenhaus bleiben zu wollen. Die Folge: mehr und mehr Wahlarztordinationen werden eröffnet, der Weg in die Zweiklassenpädiatrie beschritten (Auch wenn viele Eltern eine Zusatzversicherung haben – die muss man sich erst einmal leisten können).
Zusätzlich wurde auch die Mitarbeit im Kernteam eines der hochgelobten neuen PHCs für Kinderärzte/innen per Gesetz untersagt!
Die breite Offenheit für alle Patientengruppen der Pädiatrie (immerhin sind ja zirka 20% der österreichischen Bevölkerung Kinder und Jugendliche) in einer Kassenpraxis, der ganzheitliche familientherapeutische Ansatz, das wirklich zutiefst befriedigende Gefühl für die Familie da zu sein, das breite, wenn auch anstrengende Spektrum der Migrantenmedizin – dies sollte auch in einer kurzen, verpflichtenden Lehrpraxistätigkeit in einer Kinderpraxis vermittelt werden.
Wenn es uns (damit meine ich die Politik, die Kassen, aber auch uns als Fachgruppe selbst) nicht gelingt, wieder mehr Kollegen/-innen für die Tätigkeit in einer Kassenpraxis zu begeistern, werden wir in nicht allzu ferner Zukunft zu einer aussterbenden Gattung der Dinosaurier gehören ... Dr. Alfred Stiskal,