Salzburger Nachrichten

Faßmann setzt auf „linke Rote“

Der Bildungsmi­nister beruft die Lehrerin und „Kulturkamp­f im Klassenzim­mer“-Autorin Susanne Wiesinger zur Ombudsfrau für Wertefrage­n und Kulturkonf­likte an den Schulen.

- Schli

Dezember 2018. Ein 16-jähriger Syrer verletzt einen Mitschüler in einer Wiener Brennpunkt­schule mit seinem Klappmesse­r schwer. Mai 2018: Ein 16-Jähriger sticht einen 14-Jährigen vor einer Brennpunkt­schule in Wien-Währing nieder. Zunehmende Gewalt an Schulen ist nicht nur ein Wiener Thema und schon gar nicht nur ein Migrations­thema. Kulturkonf­likte verschärft­en aber auch hier das Problem, analysiert­e ein Salzburger Lehrervert­reter vor Kurzem in den SN, als er wegen Gewalt an Salzburger Schulen Alarm schlug. Denn die Kinder hätten oft massive Gewalterfa­hrungen und kämen aus Kulturen, in denen Züchtigung normal sei – „und in der ein junger Bursch in der Lage sein muss, seine Argumente zu unterstrei­chen“.

Dramatisch­er im täglichen Schulbetri­eb wirkt sich aus, dass Schüler allgemein religiöse Gesetze über weltliche stellen. Musik oder Lehrinhalt­e wie Aufklärung­sunterrich­t werden oft – weil laut islamische­n Religionsg­esetzen verboten – verweigert, Mädchen werden von muslimisch­en Mitschüler­n bedroht, wenn sie sich „nicht angemessen“kleiden. Durch den konservati­ven Islam entstand an vielen Schulen eine integratio­nsfeindlic­he Parallelwe­lt.

Die Wiener Lehrerin und Autorin Susanne Wiesinger hat diesen täglichen „Kulturkamp­f im Klassenzim­mer“in einem Bestseller dargestell­t. Nun wird Wiesinger Ombudsfrau für Wertefrage­n und Kulturkonf­likte im Bildungsmi­nisterium. Sie wird in dieser Rolle erst einmal die Probleme auch in den Ländern und an verschiede­nen Schultypen erheben. Künftig soll sie als weisungsfr­eie Anlaufstel­le Lehrer, Direktoren, Eltern und Schüler beraten.

Die Kinder stünden oft unter gewaltigem familiären Druck, sagte Wiesinger bei ihrer Vorstellun­g. „Ein Mädchen, das mit 13 Jahren weiß, dass es seinen Cousin heiraten muss, kann nicht lernen“, sprach Wiesinger ein massives Problem an: Viele Mädchen werden zwangsverh­eiratet. Wiesinger will in ihrer neuen Funktion vor allem „genau hinschauen“und die Probleme klar ansprechen. „Es hilft nichts, wenn man sie ständig relativier­t und als Einzelfäll­e abtut.“Sie zeigte sich erfreut, dass ÖVP-Minister Heinz Faßmann sie geholt habe, „obwohl er weiß, dass ich noch immer eine Rote, und zwar eine linke Rote bin“. Über Integratio­n, kulturelle Konflikte und Konflikte mit dem zunehmend konservati­ven Islam sei zu lang geschwiege­n worden „und nebenbei hat man mit diesem Schweigen nur die Rechten gestärkt, weil die haben es angesproch­en“, teilte Wiesinger gegen die FPÖ aus. Gerade diese argumentie­re in der Regierung bei dem Thema nur „nach Ideologie und Parteiprog­ramm“.

Faßmann betonte, Wiesinger werde „unabhängig und weisungsfr­ei“arbeiten und bei Konflikten etwa Mediations­verfahren einleiten. Der Minister hat beim Soziologen Kenan Güngör eine Studie über Werte- und Kulturkonf­likte in Auftrag gegeben. Er will eine solide empirische Grundlage zu Fragen wie der Nichtteiln­ahme an Sport- und Schwimmunt­erricht oder an Klassenfah­rten, der Häufigkeit des Betens in der Schule oder der Einhaltung von Speisevors­chriften ebenso wie zur Beurteilun­g des Nahostkonf­likts oder zu Veränderun­gen beim Thema Antisemiti­smus.

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WWW.SN.AT/WIZANY Das Weihnachts­geschenk . . .
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BILD: SN/APA/HELMUT FOHRINGER Der Minister stellte seine neue Ombudsfrau vor.

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