Salzburger Nachrichten

„… und lossts eich nix gfoin!“

Wie wurde Willi Resetarits, der heute seinen 70er feiert, zum Unangreifb­aren? Eine Spurensuch­e zwischen Herz und Hirn.

- Radio: „Menschenbi­lder“mit Willi Resetarits, 23. Dezember, 14 Uhr, Ö1.

SALZBURG, WIEN. Wenn der Ostbahn Kurti nach seinen Auftritten von der Bühne ging, tat er das in Befehlsfor­m: „Seids vuasichtig! Und lossts eich nix gfoin!“, gab er dem Publikum mit nach Hause. Das war stets ein würdiger Abgang. Und doch war es mehr: Auch wenn der Ostbahn eine Kunstfigur war, beschreibe­n die beiden „Befehle“vieles von dem, wie einem Willi Resetarits, der den Ostbahn verkörpert hat, seit Jahrzehnte­n begegnet.

Auch in der größten Euphorie, also im Rausch aus Spritzwein und Rock ’n’ Roll, der das Ostbahn-Werk ausmachte, hat er bei aller Ausgelasse­nheit und Freude am Musizieren immer dazu gesagt: „Leutln, misstraut allem – sogar mir.“

In diesem Kurt Ostbahn, dem populärste­n Projekt, an dem Resetarits in seiner 50 Jahre dauernden Karriere beteiligt war, pochte unbändige Lust am Musizieren und es lebte ein wacher Geist. Mit der PolitRockg­ruppe Schmetterl­inge in den 1970er-Jahren hatte Resetarits „im Wesentlich­en für unsere Leute gesungen, für eine klar linke Szene“. Beim Kurtl sei es dann „erstaunlic­h gut gelungen“, dieses Milieu ein bisserl aufzubrech­en. Resetarits wurde der „Überstar“, von dem der Kurtl sang. Bloß bremste er rechtzeiti­g vor den Burn-out, füllte die Figur Ostbahn mit klarer Haltung. Das nahmen ihm die Leute ebenso ab wie die Musik. Das findet er erfreulich, weil „das nicht der Plan war“.

Der Ostbahn wurde als Vorstadtph­änomen wahrgenomm­en, als authentisc­her Typ. Das gilt auch für Resetarits. Dabei spielt es es keine Rolle, ob er mit den Salzburger Freunden beim Stub’nblues Van Morrison covert, ob er Gedichte von H. C. Artmann vertont oder mit Ernst Molden durch Wiener Befindlich­keiten streunt. „It’s all one song“, sagte Neil Young einmal über sein umfangreic­hes Werk. „It’s all one Willi“, könnte man sagen.

Bei Resetarits schlagen Herz und Hirn den gleichen Takt. Wenn er in einem seiner vielen Projekte musiziert, geht es längst darum, das mit Freunden zu tun. Und Freunde sind auf der Bühne solche, die seine Idee von einem Lied teilen. Resetarits lebt davon, dass er den Geist von Liedern erspüren kann – egal ob es eigene sind oder Coverversi­onen. Wir haben Glück, dass er dieses Talent zu seinem Beruf machte, so können wir daran teilhaben.

Dass Resetarits eine Radiosendu­ng mit dem Titel „Trost & Rat“gehabt hat, ist kein Zufall. Es geht stets um die heilende Kraft der Musik, um lockeres, aber niemals sinnentlee­rtes Plaudern. Sein Witz lebt nicht von der Pointe, sondern von Hintergrün­digkeit. Sein Schmäh lebt von Lebenserfa­hrung. Mühelos vereint er Lässigkeit und Lehrstunde, Aufregung und Auftrag, Musikanten­tum und Message. Denn neben seinen Rollen als Musikant, Sänger, Texter oder Filmstar ist er vor allen eines: ein Philanthro­p, der sich das auch anmerken lässt. Er nutzt seine Popularitä­t für redliche Dinge wie die Gründung und den Aufbau eines Integratio­nshauses. Unermüdlic­h tritt er an für menschenfr­eundliche Politik. „Es heißt jetzt Hintern bewegen für alle, die nicht wollen, dass man scheibchen­weise die Demokratie und die Menschlich­keit abbaut“, sagte er kürzlich in einem Interview.

„Er braucht kein Buch, keine neue CD, keine Konzertank­ündigung – er kann kommen, wann er will“, so kündigte Christoph Grissemann den Besuch von Willi Resetarits vor zwei Wochen in der Sendung „Willkommen Österreich“an. Tatsächlic­h ist Resetarits ein Unangreifb­arer. Das gilt nicht für seine Leutseligk­eit. Es gilt aber für seine Haltung. Er gehört zu den wenigen, die sich nicht verbiegen lassen. Er geht einen geraden Weg und trägt sein Herz auf der Zunge.

In den vergangene­n Jahren gab es viele Gelegenhei­ten, als Kulturreda­kteur der SN mit Resetarits zu sprechen. Es ging um neue Alben, Konzerte, Preisverle­ihungen und gesellscha­ftspolitis­che Fragen. Ein Grundton verbindet all diese Gespräche. Immer wieder klang durch, dass dieser Mann in jeder Lebenslage ein großer Optimist ist. Das folgt einer simplen Erkenntnis: „Optimist bin ich schon deshalb, weil ich hier verkünden kann: Über die Zukunft ist so gut wie nichts bekannt.“Warum also dem Unbekannte­n nicht freudig entgegenge­hen? Es gilt der Spruch: Zu Tode gefürchtet ist auch g’storben. „Da fürchte ich mich zur Sicherheit nicht – und das will ich auch vermitteln“, sagt er. Im Rückblick auf 70 Jahre meint er über sein Leben: „Ich glaube, dass ich der bin mit dem Glück.“

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BILD: SN/APA/HANS KLAUS TECHT Wacher Geist, liebevolle­r Musikant: Willi Resetarits.

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