„… und lossts eich nix gfoin!“
Wie wurde Willi Resetarits, der heute seinen 70er feiert, zum Unangreifbaren? Eine Spurensuche zwischen Herz und Hirn.
SALZBURG, WIEN. Wenn der Ostbahn Kurti nach seinen Auftritten von der Bühne ging, tat er das in Befehlsform: „Seids vuasichtig! Und lossts eich nix gfoin!“, gab er dem Publikum mit nach Hause. Das war stets ein würdiger Abgang. Und doch war es mehr: Auch wenn der Ostbahn eine Kunstfigur war, beschreiben die beiden „Befehle“vieles von dem, wie einem Willi Resetarits, der den Ostbahn verkörpert hat, seit Jahrzehnten begegnet.
Auch in der größten Euphorie, also im Rausch aus Spritzwein und Rock ’n’ Roll, der das Ostbahn-Werk ausmachte, hat er bei aller Ausgelassenheit und Freude am Musizieren immer dazu gesagt: „Leutln, misstraut allem – sogar mir.“
In diesem Kurt Ostbahn, dem populärsten Projekt, an dem Resetarits in seiner 50 Jahre dauernden Karriere beteiligt war, pochte unbändige Lust am Musizieren und es lebte ein wacher Geist. Mit der PolitRockgruppe Schmetterlinge in den 1970er-Jahren hatte Resetarits „im Wesentlichen für unsere Leute gesungen, für eine klar linke Szene“. Beim Kurtl sei es dann „erstaunlich gut gelungen“, dieses Milieu ein bisserl aufzubrechen. Resetarits wurde der „Überstar“, von dem der Kurtl sang. Bloß bremste er rechtzeitig vor den Burn-out, füllte die Figur Ostbahn mit klarer Haltung. Das nahmen ihm die Leute ebenso ab wie die Musik. Das findet er erfreulich, weil „das nicht der Plan war“.
Der Ostbahn wurde als Vorstadtphänomen wahrgenommen, als authentischer Typ. Das gilt auch für Resetarits. Dabei spielt es es keine Rolle, ob er mit den Salzburger Freunden beim Stub’nblues Van Morrison covert, ob er Gedichte von H. C. Artmann vertont oder mit Ernst Molden durch Wiener Befindlichkeiten streunt. „It’s all one song“, sagte Neil Young einmal über sein umfangreiches Werk. „It’s all one Willi“, könnte man sagen.
Bei Resetarits schlagen Herz und Hirn den gleichen Takt. Wenn er in einem seiner vielen Projekte musiziert, geht es längst darum, das mit Freunden zu tun. Und Freunde sind auf der Bühne solche, die seine Idee von einem Lied teilen. Resetarits lebt davon, dass er den Geist von Liedern erspüren kann – egal ob es eigene sind oder Coverversionen. Wir haben Glück, dass er dieses Talent zu seinem Beruf machte, so können wir daran teilhaben.
Dass Resetarits eine Radiosendung mit dem Titel „Trost & Rat“gehabt hat, ist kein Zufall. Es geht stets um die heilende Kraft der Musik, um lockeres, aber niemals sinnentleertes Plaudern. Sein Witz lebt nicht von der Pointe, sondern von Hintergründigkeit. Sein Schmäh lebt von Lebenserfahrung. Mühelos vereint er Lässigkeit und Lehrstunde, Aufregung und Auftrag, Musikantentum und Message. Denn neben seinen Rollen als Musikant, Sänger, Texter oder Filmstar ist er vor allen eines: ein Philanthrop, der sich das auch anmerken lässt. Er nutzt seine Popularität für redliche Dinge wie die Gründung und den Aufbau eines Integrationshauses. Unermüdlich tritt er an für menschenfreundliche Politik. „Es heißt jetzt Hintern bewegen für alle, die nicht wollen, dass man scheibchenweise die Demokratie und die Menschlichkeit abbaut“, sagte er kürzlich in einem Interview.
„Er braucht kein Buch, keine neue CD, keine Konzertankündigung – er kann kommen, wann er will“, so kündigte Christoph Grissemann den Besuch von Willi Resetarits vor zwei Wochen in der Sendung „Willkommen Österreich“an. Tatsächlich ist Resetarits ein Unangreifbarer. Das gilt nicht für seine Leutseligkeit. Es gilt aber für seine Haltung. Er gehört zu den wenigen, die sich nicht verbiegen lassen. Er geht einen geraden Weg und trägt sein Herz auf der Zunge.
In den vergangenen Jahren gab es viele Gelegenheiten, als Kulturredakteur der SN mit Resetarits zu sprechen. Es ging um neue Alben, Konzerte, Preisverleihungen und gesellschaftspolitische Fragen. Ein Grundton verbindet all diese Gespräche. Immer wieder klang durch, dass dieser Mann in jeder Lebenslage ein großer Optimist ist. Das folgt einer simplen Erkenntnis: „Optimist bin ich schon deshalb, weil ich hier verkünden kann: Über die Zukunft ist so gut wie nichts bekannt.“Warum also dem Unbekannten nicht freudig entgegengehen? Es gilt der Spruch: Zu Tode gefürchtet ist auch g’storben. „Da fürchte ich mich zur Sicherheit nicht – und das will ich auch vermitteln“, sagt er. Im Rückblick auf 70 Jahre meint er über sein Leben: „Ich glaube, dass ich der bin mit dem Glück.“