Rückfahrt ins Wunderland
„Mary Poppins’ Rückkehr“ist der Versuch, an den Erfolg anzuknüpfen.
WIEN. Die Familie Banks steckt wieder in der Krise – wie damals, als das zauberhafte Kindermädchen Mary Poppins zum ersten Mal auftauchte, in der gleichnamigen Verfilmung von P. L. Travers’ Roman von 1964, die im Jahr 1910 spielte.
Nun ist eine Fortsetzung ins Kino gekommen: In „Mary Poppins’ Rückkehr“sind die Banks-Kinder Michael (Ben Whishaw) und Jane (Emily Mortimer) längst erwachsen, er ist eigentlich Künstler, aber arbeitet in einer Bank, und sie versucht als Gewerkschafterin für Arbeiterrechte zu kämpfen. Doch die Weltwirtschaftskrise hat London fest im Griff, und seit Michaels geliebte Frau vor einem Jahr gestorben ist, hat er allen Lebensmut verloren. Nun müssen seine drei Kinder ganz fürchterlich erwachsen sein. Tante Jane versucht zwar zu helfen, wo es geht, aber als eines Tages die Gerichtsvollzieher vor der Tür stehen, weiß Michael nicht ein noch aus. Wie sollen da die Kinder noch fröhlich sein?
Wie praktisch, dass da Mary Poppins (gespielt von Emily Blunt) herbeifliegt, mit blanken Augen und eiserner Zuversicht, und mit Delfinen in der Badewanne und Zeichentrickviechereien bei einer Suppenschüsselreise wieder Spaß ins Leben der Kinder zurückholt, im Duett mit ihrem Nachtwächterfreund Jack (Lin-Manuel Miranda).
„Mary Poppins’ Rückkehr“versucht wacker, das TechnicolorSpektakel von anno dazumal wieder zurückzuholen, mit Gesang, zugegeben hinreißenden Tanzeinlagen und Frohsinn im Angesicht des Abgrunds. Doch das funktioniert nur bedingt: Dieses knallbunte Mary-Poppins-London, in dem selbst die existenziellen Sorgen noch Zuckerguss haben und lachhaft einfach angesichts der Welt im Jahr 2018 wirken, das alles ist fast zynisch.
Wie zeitgemäß und warmherzig wirkte im Kontrast dazu vor einem Jahr das London von „Paddington 2“, der auf ein ähnliches Publikum abzielte und dessen Fröhlichkeit eben nicht in reinem Eskapismus begründet war, sondern in dem Bewusstsein, wie kompliziert die Gegenwart ist und dass nur Rücksichtname und Freundlichkeit das alles erleichtern können.
Mary Poppins hingegen ist zwar vielleicht magisch. Aber inzwischen ist das nicht mehr charmant, es ist nur mehr rückwärtsgewandt. Film:
„Mary Poppins’ Rückkehr“. USA 2018. Regie: Rob Marshall. Mit Emily Blunt, Lin-Manuel Miranda, Emily Mortimer, Ben Whishaw, Colin Firth, Julie Walters. Start: 20. 12.