Ein Landsmann findet die Klangsprache für Chopin
Das Klavierwerk von Frédéric Chopin bietet mehr Tücken, als es Interpreten lieb ist. Das lyrische Melos verleitet nicht selten zu sentimentalem Schwelgen, ein allzu sachlicher Zugang wird dieser Klangpoesie auch nicht gerecht.
Im Abo-Konzert der Salzburger Kulturvereinigung am Mittwoch im Großen Festspielhaus fand der polnische Pianist Rafał Blechacz die perfekte Mischung für Chopins Klavierkonzert Nr.1, op. 11. Blechacz bewältigte die virtuosen Klippen des Frühwerks unprätentiös, ordnete aber die dichte Textur mit viel Gespür für Zweitstimmen und Zwischentöne. Da durfte die Gegenstimme in der linken Hand auch mitunter chromatisch aufwallen. Der Preisträger des Chopin-Wettbewerbs fand so etwas wie einen natürlichen Zugang für die Klangsprache seines berühmten Landsmanns, der es weder an Eleganz noch an Beredtsamkeit mangelte.
Blechacz zeigte im Verbund mit dem Dirigenten Andrés Orozco-Estrada, dass man sich interpretatorische Freiheiten auch erarbeiten kann. Im Larghetto schöpften Solist und Orchester kunstvolle Rubati aus einem gemeinsamen Atem, auch die Bremsmanöver im Finalsatz schienen akribisch vorausgeplant. Das Vorurteil, dass Chopins Klavierkonzerte dem Orchester kaum Möglichkeit zur Entfaltung böten, konnte Orozco-Estrada zwar nicht völlig entkräften. Dennoch trieb der Chefdirigent des hr-Orchesters Frankfurt die Musiker zum feinen dialogischen Spiel mit dem Solisten an. Blechacz schenkte dem Publikum den cis-Moll-Walzer, op. 64, Nr. 2 als Zugabe.
Die volle Orchesterstärke der Hessen offenbarte sich erst im zweiten Konzertteil: Mit Antonín Dvořáks Neunter stand eine der populärsten Symphonien aller Zeiten auf dem Programm. Orosco-Estrada gewann dem bekannten Werk durchaus neue Höreindrücke ab. Im ersten Satz etwa drosselte der kolumbianische Dirigent das Tempo der Seitenthemen beträchlich, durch die Kontraste entstand eine ganz eigene Dynamik. Orozco-Estrada verlieh seiner Werksicht mit tänzelnden Körperbewegungen Ausdruck, diese Eleganz übertrug sich auf den Orchesterklang. Ein großes Lob gebührt Michael Höfele, der das Englischhorn-Solo im Largo mit dynamischer Finesse zum Leuchten brachte. Konzert: