Amerikas abrupter Abzug nützt anderen Mächten
Was in Syrien künftig geschieht, bestimmen Russen, Iraner und Türken. Die Weltmacht USA hat nur noch eine Zuschauerrolle.
Prächtig-populistisch ist Donald Trumps Ankündigung, die restlichen US-Truppen umgehend aus Syrien abzuziehen, sicherlich. Amerikas Präsident will seiner politischen Klientel demonstrieren, dass er ein weiteres Wahlversprechen einlöst. Er trifft die Stimmung in der US-Bevölkerung, die nach den kostspieligen und misslungenen Militärinterventionen in Afghanistan und im Irak kriegsmüde ist. Doch politisch-strategisch ist diese nicht durchdachte Kehrtwende in Amerikas Nahost-Kurs ein Desaster.
Erstens zeigt die Führung in Washington auf offener Szene, dass sie in wesentlichen weltpolitischen Fragen zerstritten ist. Trumps Entscheid steht im Widerspruch zur Expertise seiner Berater und Militärs. Der Präsident kassiert jüngste Zusagen der US-Regierung, das Engagement in Syrien zu verstärken.
Trumps neuer Tweet ist zweitens ein Schlag ins Gesicht westlicher Verbündeter wie Großbritannien und Frankreich, die dazu beigetragen haben, dass die IS-Terrormiliz massiv zurückgedrängt werden konnte. Doch die Dschihadisten sind noch nicht endgültig besiegt, so wie der US-Präsident vorgibt.
Drittens lässt Trump mit seinem neuen Kursschwenk die kurdischen Milizen in Syrien im Stich, die Washington als Bodentruppen im Kampf gegen den „Islamischen Staat“eingesetzt hat. Das Vertrauen in die Verlässlichkeit von Amerikas Wort in der Krisenregion wird weiter sinken.
Indem die USA darauf verzichten, die Ausbildung kurdischer Milizen im Nordosten Syriens voranzutreiben, bewirken sie viertens, dass der Iran seinen Einfluss in dem Bürgerkriegsland ausbauen kann – zum Schrecken Israels und Saudi-Arabiens. Das konterkariert Trumps Zielsetzung, auf den regionalen Unruhestifter Iran maximalen Druck auszuüben.
Trumps Preisgabe der Kurden ist fünftens zum Vorteil der Türkischen Republik. Präsident Recep Tayyip Erdoğan kann jetzt offenbar mit dem Wohlwollen Washingtons seinen Plan umsetzen, an der Grenze zu Syrien eine Pufferzone einzurichten. Das soll ein Überschwappen kurdischer Aspirationen nach Autonomie verhindern.
Trump spielt mit seiner Rückzugs-Order sechstens dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in die Hände. Der Protektor von Diktator Baschar al-Assad zielt darauf ab, die Amerikaner aus ihrer traditionellen Einflussregion Nahost hinauszuschieben. Washington verdirbt vollends seine schon stark geschrumpften Möglichkeiten, auf die Nachkriegsordnung in Syrien überhaupt noch Einfluss zu nehmen.