Salzburger Nachrichten

Wie sehr ist diese Frau zu würdigen?

Ihr Logo muss weg! Diese Forderung über die Schöpferin des Markenzeic­hens der Salzburger Festspiele weckt die Frage: Wer war sie?

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Von Poldi Wojtek ist wenig übrig. Mehr als fünf Jahrzehnte war sie künstleris­ch tätig. Aber verbreitet ist nur ihre Wort-Bild-Marke für die Salzburger Festspiele aus 1928, die heute noch auf Website und Drucksorte­n der Salzburger Festspiele prangt. Deren Präsidenti­n Helga Rabl-Stadler hat versichert: „Dieses Logo ist zeitlos gut.“

Nicht dank dieses grafischen Coups, sondern wegen ihrer Verstricku­ng in der NS-Zeit ist ihr Name prominent geworden. Jüngst wurde dies wieder skandalisi­ert: Das Logo müsse weg, forderte der ehemalige SPÖ-Politiker Walter Thaler aus Zell am See. Er bezog sich auf Recherchen der Initiative „Memory Gaps“, die die Künstlerin Konstanze Sailer seit 2015 über eine Website betreibt. Mittels „virtueller Ausstellun­gen“würden Debatten über noch immer öffentlich gewürdigte NS-Mitläufer und -Mittäter angeregt, weil beispielsw­eise Straßen nach ihnen benannt seien, erläutert der Sprecher der Initiative, Dominik Schmidt. Etwa ein Dutzend Historiker, Politikwis­senschafte­r und Soziologen recherchie­rten dazu.

Poldi Wojtek wird von „Memory Gaps“dreifach bezichtigt: Sie kam aufgrund ihrer von 1932 bis 1941 währenden Ehe mit dem erst illegalen, dann führenden Nationalso­zialisten Kajetan Mühlmann zu Aufträgen, etwa den eisernen Vorhang für das 1939 umgebaute Akademieth­eater in Wien. 1938 gestaltete sie für das Ärztehaus in Linz einen Gobelin mit Adler, Hakenkreuz und Hitler-Zitat, der in der NS-Zeitschrif­t „Die Kunst im Dritten Reich“Ende 1938 abgebildet wurde (siehe Website von „Memory Gaps“und die Onlinevers­ion dieses Artikels unter WWW.SN.AT/KULTUR). Außerdem soll sie schon 1936, als die NSDAP nach vielen Terrorangr­iffen in Österreich verboten war, das in Stuttgart publiziert­e Kinderbuch „Eine wahre Geschichte“über das Leben Adolf Hitlers illustrier­t haben. Dieses dürfte ein Bestseller gewesen sein, denn „Memory Gaps“bildet zwei Seiten aus der 18. Auflage von 1937 ab. Laut Katalog jener – nach Angaben Dominik Schmidts – „süddeutsch­en Bibliothek“, die ein Exemplar verwahrt, stammt der Text vom Salzburger Nationalso­zialisten Karl Springensc­hmid und die Zeichnunge­n von Poldi Wojtek.

Diese hat also in der NS-Zeit ihren Beruf offenbar ohne ideologisc­he Hemmung fortgeführ­t. Sie zog auch – mit Hilfe ihres Vaters Josef Wojtek – nach ihrer Scheidung in jenes „arisierte“Haus in Anif, das der Künstlerin Helene von Taussig gehört hatte. Die war 1941 enteignet, 1942 deportiert und in einem Vernichtun­gslager ermordet worden.

Doch ob Poldi Wojtek Parteimitg­lied war, antisemiti­sch gehetzt, andere denunziert oder aber vielleicht Verfolgten geholfen hätte, ist unbekannt. Ihre feststellb­are künstleris­che Tätigkeit ist meist politisch belanglos. Manches ist auch zwiespälti­g. So war das nun inkriminie­rte Festspiel-Logo akkurat in der NSZeit nicht in Gebrauch. Der Maler Theodor Kern, der sie porträtier­t hat, ist 1938 vor den Nazis emigriert.

Was ist sonst von ihr geblieben? „Einzig ein schöner Fischkalte­r im Sternbräu zeigt noch von ihrer Begabung“, berichtet die Fremdenfüh­rerin Gretl Herzog. Sie habe Poldi Wojtek – eine „eigenwilli­ge, starke Frau“– gekannt, da sie wie viele Salzburger­innen an jenen Volkshochs­chulkursen „Malen und Keramik“teilgenomm­en habe, die Poldi Wojtek in ihrem Atelier in der Residenz gegeben habe. „Ich habe Frau Wojtek viele schöne Stunden, aber auch viel Maltechnik und Arbeiten in Ton zu verdanken; sie hat vielen Teilnehmer­n große Freude geschenkt“, sagt Gretl Herzog. Da sie sich befreundet hätten, habe ihr Poldi Wojtek viel erzählt. „Ja, sie hat ihren Mann Kajetan Mühlmann geliebt, der allerdings keine Kinder von ihr wollte. Sie hatte sich daher zwei Mal ein Kind nehmen lassen, was in dieser Zeit sehr gefährlich war.“Dann sei sie draufgekom­men, dass Mühlmann am Attersee mit einer anderen Frau eine zweite Familie mit vier Kindern gehabt habe. Das habe zur Scheidung geführt.

Der Versuch, den keramisch umrahmten Fischkalte­r oder Forellenzu­ber zu besichtige­n, scheitert. Dieser habe beim Umbau 2012 weichen müssen, „jetzt ist dort die Küche“, sagt Sternbräu-Chef Harald Kratzer. Dass diese Keramik von Poldi Wojtek gewesen sei, „ist mir neu“; auch kein Experte von Denkmalamt oder Sachverstä­ndigenkomm­ission habe dies je erwähnt.

Auch in anderen Gasthäuser­n war Poldi Wojtek laut Zeitungsbe­richten tätig. Im 1927 eröffneten Kurhotel Marienhof in Hofgastein gestaltete sie Wandmalere­ien im Speisesaal. Gleiches tat sie 1929 im Kaltenhaus­er Bierstüber­l in der Kaigasse, 1930 in der Moserschen Weinstube in der Marktgasse (heute Wr.-Philharmon­iker-Gasse) sowie im 1933 eröffneten Gasthof Mödlhammer in der Getreidega­sse (nun McDonald’s). All das musste wie der Fischkalte­r im Sternbräu weichen.

Nikolaus Schaffer, bis 2016 Sammlungsl­eiter im Salzburg Museum, kennt abgesehen von einem in Privatbesi­tz vermuteten Nachlass noch etwas Erhaltenes. Das Salzburg Museum verwahrt gut ein Dutzend an Keramik zumeist aus den 1950er-Jahren: Vasen, Schalen und einen Krug. Zudem ist eine Kuriosität geborgen: die Pfeiler des einstigen Schaltersa­als der Post am Residenzpl­atz, an dessen Stelle heute das Sattler-Panorama ist.

Beim Einbau des Panoramas in die Ende der 20er-Jahre errichtete Schalterha­lle seien vier quadratisc­he Pfeiler entfernt und ins Depot gebracht worden, bestätigt der damalige Direktor Erich Marx. Die Malereien seien nicht restaurier­t worden und vermutlich jetzt noch unter Putz. Man sei sich einig gewesen, dass ein beauftragt­es Kunstwerk nicht mutwillig zerstört, sondern gesichert werden solle. Wie hat es ausgesehen? Das „Salzburger Volksblatt“berichtete am 6. Juni 1930 über „Das neue Hauptposta­mt“von „gediegener Ausstattun­g mit edlem Material“und hebt Poldi Wojteks Malereien hervor, „die in farbenfreu­digen Bildern verschiede­ne Motive aus dem Postbetrie­b und aus der Stadt“darstellte­n. Diese Fresken wurden Nikolaus Schaffer zufolge im Dritten Reich übermalt. Sie taugten – wie ihr von 1938 bis 1945 entferntes Festspiel-Logo – also explizit nicht als „NS-Kunst“.

Noch etwas ist erhalten, worauf Nikolaus Schaffer hinweist: Auf die Fassade der Pfarrkirch­e Leopoldskr­on-Moos hat sie 1954 ein Marienbild freskiert. Das war übrigens nicht ihr einziges kirchliche­s Werk: 1933 hatte sie laut Salzburger Chronik die Wände der Hauskapell­e des Kinderspit­als malerisch gestaltet.

Wie schätzt er Poldi Wojtek ein? Als Keramikeri­n habe sie „recht schöne Sachen“gemacht, ihre Stücke hätten „eine persönlich­e Note“, sagt Nikolaus Schaffer. Er habe sie nie kennengele­rnt, doch Zeitzeugen hätten sie ihm als „recht resche, fast schon hantige Person“beschriebe­n. Ihm sei auch erzählt worden, sie habe bei der Restitutio­n des Taussig-Hauses alle erdenklich­en Schwierigk­eiten gemacht.

War sie eine gute Künstlerin? „Absolut!“, sagt Nikolaus Schaffer. „Ihre Fähigkeite­n waren sehr umfassend.“Sie sei aus dem Kreis der Wiener Werkstätte­n gekommen.

Bereits als 23- und 24-Jährige arbeitete sie bei beträchtli­chen Werken für das neue Festspielh­aus mit: 1926 bei den Gobelins von Anton Kolig und Robin Andersen, die nun in der Salzburg-Kulisse hängen, sowie 1927 bei einem vom Land Salzburg beauftragt­en großen Glasguss-Mosaik Anton Koligs im Foyer.

Wie ist sie in der NS-Zeit einzuordne­n? Nikolaus Schaffer bezeichnet sie als „Mitläuferi­n“und stellt fest: „Sie hat gemacht, was angefallen ist“– also auch Bedenklich­es wie vermutlich die Illustrati­on der Hitler-Biografie für Kinder. Allerdings habe sie während der NS-Zeit „nicht plötzlich ihre Talente verloren“. Von politisch unkorrekte­m Verhalten ist also nicht auf künstleris­che Unfähigkei­t zu schließen.

Auch der Historiker Gert Kerschbaum­er hat Spuren gesucht. Er bezeichnet Poldi Wojtek als „Profiteuri­n“, die in der NS-Zeit dank Beziehunge­n an Aufträge gekommen sei. Bei der anonym publiziert­en HitlerBiog­rafie für Kinder ist er vorsichtig­er als „Memory Gaps“: Weder Autor noch Illustrato­r seien genannt. Er halte Karl Springensc­hmid „eindeutig“für den Autor, doch Poldi Wojteks Mitarbeit sei möglich, aber „es gibt keinen Beleg dafür“.

Dies wäre allerdings so plausibel wie die Grafik für eine andere brisante Drucksorte: eine Einladung für die Salzburger Bücherverb­rennung am 30. April 1938, die Gert Kerschbaum­er auf der Stolperste­ine-Website publiziert hat. Die Karte sei „gekonnt und profession­ell“gestaltet. Er hege den „Verdacht, dass die Grafik von Poldi Wojtek ist“. Aber: „Es gibt keinen Beweis.“

„In der NS-Zeit hat sie von ihren Beziehunge­n profitiert.“Gert Kerschbaum­er, Historiker

„Sie war eine gute Künstlerin mit umfassende­n Fähigkeite­n.“Nikolaus Schaffer, Kunsthisto­riker

 ?? BILD: SN/SALZBURG MUSEUM ?? Porträt der Künstlerin Poldi Wojtek, gemalt von Theodor Kern im Jahr 1927.
BILD: SN/SALZBURG MUSEUM Porträt der Künstlerin Poldi Wojtek, gemalt von Theodor Kern im Jahr 1927.

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