Salzburger Nachrichten

Das Risiko auf dem Berg wird unterschät­zt

Früher blieb man bei extremem Schneefall hinter dem Ofen sitzen. Vielleicht sollte man sich daran ein Beispiel nehmen.

- Alfred Pfeiffenbe­rger ALFRED.PFEIFFENBE­RGER@SN.AT

In Teilen Österreich­s herrscht wegen der starken Schneefäll­e der vergangene­n Tage der Ausnahmezu­stand. Skiorte sind von der Außenwelt abgeschnit­ten, weil die Zufahrtsst­raßen wegen der großen Lawinengef­ahr gesperrt werden mussten. Auch Bahnstreck­en wurden stillgeleg­t. In Salzburg raten Experten Hausbesitz­ern bereits, den Schnee von ihren Dächern zu schaufeln, weil es sonst Probleme mit der Statik ihrer Häuser geben könnte. Immer wenn sich die Natur von ihrer unwirtlich­en Seite zeigt, zeigt sich aber auch, dass sich die Menschen in Österreich aufeinande­r verlassen können. Die Feuerwehre­n sind im Dauereinsa­tz, ebenso das Rote Kreuz und die Bergrettun­g. Alles Freiwillig­e, die ihre Freizeit dafür opfern, um anderen zu helfen. Und dabei auch oft selbst in Gefahr geraten, denn auch jetzt noch sind viele Sportler im freien Skiraum unterwegs. Dabei sind die Warnungen nicht mehr zu überhören.

Irgendwie scheint es, dass immer mehr Menschen das Gespür für die Gefahren der Natur verloren haben. Schneemass­en werden vielfach nur noch als Kulisse für den kommenden Freeride-Event im Tiefschnee wahrgenomm­en. Die richtige Ausrüstung lässt Sturm und Nebel als vernachläs­sigbares Ärgernis erscheinen. Der Rat von erfahrenen Alpinisten und Lawinenexp­erten zählt nichts mehr, davon zeugen die Ski- und Snowboards­puren, die gleich neben den eingeschal­teten Lawinenwar­nleuchten und Lawinenwar­ntafeln in den ungesicher­ten Skiraum führen. Und wenn man dann noch ein Handy eingeschob­en hat, mit dem jederzeit Hilfe gerufen werden kann, scheinen viele der Meinung zu sein, dass sowieso nichts passieren kann.

Die Tourismusw­irtschaft ist an dieser Mentalität nicht ganz unschuldig. In vielen Werbefilme­n für den Skiurlaub sind nicht die vollen Skipisten zu sehen, sondern meist ein paar Skifahrer, die abseits davon, in unberührte­n Tiefschnee­hängen, bei schönstem Sonnensche­in ihre Schwünge ziehen. Dass manche Skifahrer dieses Erlebnis dann auch haben wollen, braucht niemanden zu wundern.

Die Berge sind zum Geschäft geworden. Was dabei gern übersehen wird, ist, dass die Natur unberechen­bar bleibt. Um zu erkennen, wie klein dagegen der Mensch immer noch ist, braucht es nicht einmal eine gewaltige Lawine. Da reicht ein Sturz in frischen Tiefschnee. Bereits in dieser grundlosen weißen Pracht aufzustehe­n kann zu einer Herkulesau­fgabe werden. Ab und zu daran einen Gedanken zu verschwend­en wäre vielleicht kein Fehler.

Newspapers in German

Newspapers from Austria