Die Baustellen im Asylwesen
Das Asylwesen wird umgebaut, künftig soll die Rechtsberatung nicht durch NGOs, sondern nur noch durch den Bund erfolgen. Innenminister Herbert Kickl stößt damit aber auch regierungsintern auf Widerstand.
Die Asylzahlen sind zwar rückläufig, politisch bleibt die Migration aber ein zentrales Thema. „Es geht darum, das Trauma der Migrationskrise 2015/16 abzuarbeiten“, nennt Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) als eines seiner wesentlichsten Ziele für das neue Jahr. Er hat deshalb in seinem Ressort mit Jahresbeginn eine neue Sektion „Fremdenwesen“eingeführt. Sie soll die wesentlichsten Baustellen in den Bereichen Asyl, Zuwanderung und Migration bearbeiten.
Betreuung
Kickl will die Betreuung von Flüchtlingen – also ihre Unterbringung, Verköstigung und Beratung – nicht mehr von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) erledigen lassen, sondern wieder in staatliche Hand bringen. Mitte 2020 soll eine neue Betreuungsagentur des Bundes den privaten Betreiber ORS ablösen. Für Kickl steht fest, dass das die billigere Lösung wäre, da ORS ein gewinnorientiertes Unternehmen sei.
Beratung
Auch die Rechts- und Rückkehrberatung soll laut Kickl künftig der Bund selbst durchführen, statt dafür private Berater zu bezahlen. Der FPÖ-Minister argumentiert, dass der Staat diese Aufgabe schneller und billiger durchführen könne. Kritiker sehen darin eine Gefahr für die Unabhängigkeit der Beratung.
Schon im Dezember hätten die Verträge mit den privaten Anbietern gelöst werden sollen. Daraus wurde aber vorerst nichts, weil sich Justizminister Josef Moser quergelegt hat. Aus Mosers Budget wird ein Großteil der Rechtsberatung bezahlt, die im Vorverfahren und in der zweiten Instanz verpflichtend angeboten werden muss. Die Beratung in der zweiten Instanz finanziert das Justizministerium.
Kickl und Moser konnten sich bisher jedoch auf keine gemeinsame Vorgangsweise einigen. Wie es nach den regierungsinternen Reibereien weitergeht? Die Regierungskoordinatoren Gernot Blümel (ÖVP) und Norbert Hofer (FPÖ) haben sich eingeschaltet. Sie kündigen an, dass die Reform bis März vorbereitet und beschlossen wird.
Bezahlung
Derzeit wird die Rechtsberatung zur Hälfte von Diakonie und Volkshilfe, zur anderen Hälfte vom Verein Menschenrechte Österreich im Auftrag des Bundes angeboten. Pro Asylbewerber, der die Beratung in Anspruch nimmt, gibt es eine Pauschale von rund 200 Euro – ob im Vorverfahren oder in der zweiten Instanz, unabhängig von der Länge des Verfahrens und der Anzahl der Beratungsgespräche. Extrapauschalen gibt es nur, wenn die Berater den Asylbewerber zu Verhandlungen begleiten oder Vertretungen übernehmen. Laut dem Diakonie-Asylexperten Christoph Riedl ist die Abgeltung des Bundes nicht kostendeckend. „Wir müssen nach wie vor große Spendensummen zuschießen, um das Angebot aufrechterhalten zu können.“
Rechtslage
Neben der Neuorganisation der Flüchtlingsbetreuung will Kickl heuer ein weiteres Megaprojekt aus dem Regierungsprogramm angehen: die Neukodifizierung des Fremdenrechts, das selbst von vielen Experten als unlesbar kritisiert wird. Der Grund sind die zahlreichen Fremden- und Asylrechtsnovellen der vergangenen Jahre.
Geplant ist laut Kickl, die vier mit dieser Materie befassten Gesetze (unter anderem das Asylgesetz und das Fremdenpolizeigesetz) zu einem einzigen zusammenzufassen. Das ist eine enorme Herausforderung, sind dabei doch auch das Völkerrecht und EU-Recht zu beachten. Praktiker halten das Vorhaben aber für dringend notwendig. Seit Jahren würden Dinge ins Asylrecht gepackt, die ohnehin schon in anderen Gesetzen geregelt seien, sagt Riedl von der Diakonie. Durch die vielen Novellen der vergangenen Jahre würden teilweise unterschiedliche Regelungen nebeneinander gelten. „In Wahrheit kennt sich kein Beamter mehr aus“, sagt Christoph Riedl.
Strategie
Schließlich plant Kickl noch die Erstellung einer umfassenden Migrationsstrategie. Sein Ziel: „Legale Migration, die sich nach den Bedürfnissen Österreichs richtet.“Der neue Leiter der Sektion „Fremdenwesen“im Innenressort, Peter Webinger, ergänzt, dass im Asylwesen derzeit die falsche Strategie angewandt werde: Man kümmere sich nur um jene, die nach Europa kommen und hier Asyl beantragen. Bis nach Europa würden es aber nur die Stärksten schaffen. In Wahrheit müsse man sich daher um die Schwächsten – vor allem die Kinder – kümmern, die erst gar nicht den Versuch machen können, nach Europa zu kommen.
Gerichte
Nicht nur das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) entscheidet über Asylanträge. In zweiter Instanz kommt der Fall – etwa wenn ein Asylbewerber gegen einen negativen Entscheid Beschwerde einlegt – zum Bundesverwaltungsgericht (BVwG). Laut aktuellster Statistik aus dem Jahr 2017 gingen 42.000 Asylfälle beim BVwG ein, 30.000 wurden abgeschlossen. Die Welle an Asylanträgen aus den Jahren 2015 und 2016 trifft das BVwG zeitverzögert, das ohnehin unter der Belastung stöhnt. Zusätzlich hat die Regierung Einsparungen von Stellen am BVwG angekündigt. Rund 32 Prozent der Asylablehnungen des BFA, der ersten Instanz, wurden im Jahr 2017 vom BVwG aufgehoben oder abgeändert. Derzeit sollen rund 30.000 Fälle in der zweiten Instanz hängen.
Lehrlinge
In der Debatte, ob abgelehnte Asylbewerber, die eine Lehre absolvieren, ein Bleiberecht haben sollen, vertritt Kickl die Position: „Lehre ist kein Asylgrund, das Asylverfahren kein Sympathiewettbewerb.“
Personal
Die Pläne des Innenministers soll die neue Sektion V, Fremdenrecht, umsetzen. Sie soll, wie erwähnt, von Peter Webinger geleitet werden. Webinger war während der Migrationskrise 2015/16 Chef des Krisenstabs im Innenministerium. Wolfgang Tauchers Vertrag als Direktor des Bundesamts für Asyl und Fremdenwesen (BFA) ist mit Ende Dezember ausgelaufen und wurde nicht verlängert. Er wird Gruppenleiter in der neuen Sektion und bleibt im Innenministerium für das BFA zuständig. Die Leitung des Bundesamts wird neu ausgeschrieben.