Auf die Pax Americana folgt eine Weltunordnung
Wenn der politische Regelbruch folgenlos bleibt, testen autoritäre Herrscher gern aus, wie weit sie gehen können.
SALZBURG. Internationale Beobachter waren sich zum Jahreswechsel 2018/2019 in einem Punkt einig: Die internationale Ordnung verändert sich so stark wie seit dem letzten großen Umbruch, dem Ende des Kalten Krieges zwischen Ost und West vor 30 Jahren, nicht mehr. Europa ringt mehr denn je um seine Einheit. Die USA klinken sich unter Präsident Donald Trump zusehends aus dem Weltgeschehen aus. Das verschafft anderen Akteuren auf der Weltbühne mehr Spielraum, Kremlchef Wladimir Putin etwa oder dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Ein „Jahr der Rowdys“erwartet gar das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“.
Die bisherige Dominanz des Westens wird immer mehr abgelöst von der Realität eines multipolaren Systems. Das Kräftemessen zwischen den USA und China wird dabei zur prägenden Konfliktlinie. Längst figurieren diese beiden Staaten als „die zwei Supermächte“. Wachsende Spannungen zwischen der arrivierten und der aufsteigenden Macht haben gravierendere geopolitische Konsequenzen als alle anderen Krisen auf dem Globus.
In Amerika ist die freundlich-abwartende Einschätzung der Trends in der Volksrepublik definitiv abgelöst worden von einem kritischen bis negativen China-Bild. Parteiübergreifend, bei Republikanern wie bei Demokraten, herrscht jetzt die Auffassung vor, dass China wie Russland ein strategischer Rivale der USA sei. Analytiker in Washington beklagen, dass Peking internationale Institutionen wie die Welthandelsorganisation (WTO) krass zu eigenem Vorteil ausgenützt habe. China zeigt sich unter Präsident Xi Jinping entschlossen, den USA global Paroli zu bieten. Aber zunächst ist vor allem Asien Schauplatz des chinesisch-amerikanischen Machtpokers.
In dem Moment, da die unbestrittene Vorherrschaft der USA in der Welt zu Ende gehe, stürze die internationale Ordnung in Turbulenzen, konstatiert Robert Malley von der Expertengruppe International Crisis Group in Brüssel. Jahrzehntelang hätten Amerikas Macht und Amerikas Allianzen die internationalen Angelegenheiten bestimmt. Politische Grenzen seien dadurch gesetzt und die Verhältnisse in verschiedenen Weltregionen „strukturiert“worden. Je mehr der Einfluss eines kohärent handelnden Westens in der Welt schwinde, desto stärker seien andere Akteure in der Versuchung, bestehende Grenzen zu testen und den eigenen Einfluss durch die Einmischung in regionale Konflikte auszubauen. Mechanismen des Multilateralismus gerieten unter Druck durch Nullsummenspiele, bei welchen der Gewinn des einen der Verlust des anderen ist.
Weltweit blase der Wind in die Segel der starken Männer, analysiert Malley im Ausblick auf 2019. Innenpolitisch neigten solche Füh- rer zu einem Kurs von Autoritarismus und Nationalismus. Außenpolitisch scheuten sie sich nicht, internationale Institutionen und Regeln zu missachten. Der Eindruck, dass der Regelbruch kaum Konsequenzen habe, begünstige bei Autoritären den Griff zur Gewalt – etwa, wenn Venezuelas Regime einen ökonomischen Krieg gegen das eigene Volk führt oder die Führung in Ägypten Kritiker knebelt.
Auch jenseits ihrer Landesgrenzen testen solche Führer, wie weit sie gehen können. Russland weitet nach der Annexion der Krim den Einfluss im Asowschen Meer aus. Peking will im Südchinesischen Meer die Freiheit der Schifffahrt über Bord werfen. Und die SaudiHerrscher lassen im Konsulat in Istanbul einen Publizisten ermorden.