Bulgariens Multikulti-Stadt rückt zusammen
Unter dem Motto „Together“eröffnet Plovdiv sein Jahr als Kulturhauptstadt Europas.
Slawischstämmige orthodoxe Bulgaren, Katholiken, Protestanten, Türken aus der Zeit des Osmanischen Reiches, Juden, Armenier und Roma – in der bulgarischen MultikultiStadt Plovdiv leben sie friedlich nebeneinander. „Zusammen“lautet auch das Motto für die Europäische Kulturhauptstadt 2019 auf dem Balkan – die in einer auch von ethnischen Konflikten geprägten Region liegt.
Antike Mauern, Mosaiken und Säulen, ein römisches Stadion sowie die Dzhumaya-Moschee aus dem 14./15. Jahrhundert sind heute auch Teil des Stadtzentrums und Kulissen des täglichen Lebens. Die Einwohner sind vom Flair der Geschichte ihrer Stadt und vom Mix der Kulturen und Völker geprägt. Die Geschichte von Bulgariens zweitgrößter Stadt, die über mehrere Hügel angelegt ist, reicht 8000 Jahre zurück. Heute hat sie etwa 350.000 Einwohner.
Unmittelbar nach Bulgariens Befreiung von den Türken 1878 war Plovdiv die Kulturhauptstadt des Landes. Denn in der Stadt an beiden Ufern des Flusses Mariza entstand 1881 das professionelle bulgarische Theater. Hier wurden der erste bulgarische Buchverlag und die erste Druckerei des Landes gegründet. Das antike Theater aus der Römerzeit ist nicht nur den Menschen in Plovdiv gut bekannt. Auch viele Bulgaren aus anderen Landesteilen strömen an südländischen Sommerabenden herbei, um Bühnenstücke oder Konzerte unter freiem Himmel zu genießen.
Plovdiv präsentiert sich nun als facettenreiche Kulturhauptstadt, in der Geschichte und Gegenwart miteinander und voneinander leben. Plovdiv will Menschen aus ganz Bulgarien und Europa in mehr als 500 Events einbeziehen. Der Etat des Kulturprogramms beläuft sich auf knapp 11,4 Millionen Euro, wie der Vize-Chef der Stiftung Plovdiv 2019, Victor Yankov, erläutert.
„Das Kulturprogramm von Plovdiv hat absichtlich keinen zentralen Event, weil es sehr vielfältige Ereignisse bietet“, sagt Gina Kafedzhian, die stellvertretende Programmdirektorin. So stehen Festivals an wie etwa Opera Open, Plovdiv Jazz Fest, Hills of Rock, Puldin Etno sowie eine Woche der modernen Kunst und eine Puppenparade. Die Eröffnung am kommenden Wochenende, inszeniert vom Berliner Künstlerkollektiv phase7, ist dennoch als große Attraktion konzipiert: Zu der Open-Air-Show mit Multimedia-Bühne erwarten die Veranstalter Zehntausende Besucher.
Aber auch Schattenseiten sollen nicht verborgen bleiben. Nicht zufällig ist die Stiftung Plovdiv 2019 in einem früheren Tabaklager untergebracht. Direkt gegenüber dem einfallsreich renovierten Gebäude stehen Ruinen von weiteren großen Lagerhäusern, die 2016 abbrannten. Ein trauriges Bild: Die Tabakindustrie war einst von großer Bedeutung für Plovdivs Aufstieg.
Das römische Theater aus dem ersten Jahrhundert nach Christus, ein Wahrzeichen Plovdivs, gehört indes zu den weltweit am besten erhaltenen Einrichtungen dieser Art. Es ist ein Touristenmagnet. Gaststättenbetreiber und Hoteliers erwarten ein profitables Jahr. Bürgermeister Ivan Totev geht davon aus, dass sich die Zahl der Touristen 2019 verdoppeln könnte.