Salzburger Nachrichten

Ihr Wissen schützt uns vor Lawinen

Der Winter zeigt, was er kann. Je mehr Schnee fällt, umso mehr sind die Mitglieder der Lawinenkom­missionen gefordert. Österreich ist meteorolog­isch gespalten: Während nördlich der Alpen das Land im Schnee versinkt, sehnt sich der Süden nach der weißen Pra

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Gesperrte Autobahnen, gesperrte Zufahrten zu den Skigebiete­n, gesperrte Pisten. Der Schneefall der vergangene­n Tage hat in vielen Teilen Österreich­s zu großen Problemen geführt. Immer wenn die weiße Pracht Schwierigk­eiten macht, haben die Frauen und Männer der Lawinenwar­nkommissio­nen alle Hände voll zu tun. Es ist ihre Expertise, die dazu führt, dass Verkehrswe­ge oder Teile von Skigebiete­n nicht mehr benutzt werden können, wie in den vergangene­n Tagen etwa stundenwei­se die Tauernauto­bahn vor dem Tauerntunn­el. Weil die Kommission der Gemeinde Flachau entschiede­n hat, dass Lawinen die Autobahn gefährden, wurde sie gesperrt und die gefährlich­en Schneemass­en wurden gesprengt. In diesem Bereich der Autobahn übrigens mit einer fixen Sprengvorr­ichtung, die per Funk aktiviert werden kann.

Der Schutz der Tauernauto­bahn ist aber nur ein Bereich, für den die Flachauer Lawinenkom­mission verantwort­lich ist. Der Leiter der Kommission, Mathias Grünwald: „Neben der Tauernauto­bahn sind wir auch für die Sicherheit von drei Skigebiete­n und zahlreiche­n Gemeindest­raßen verantwort­lich.“

Jede Gemeinde, die durch Lawinen gefährdet ist, muss in Österreich per Gesetz von einer Lawinenkom­mission betreut werden. Die Mitglieder arbeiten ehrenamtli­ch. In Flachau besteht sie aus 13 Mann. Viele haben eine Ausbildung als Bergführer, sind bei der Bergrettun­g tätig, arbeiten bei den Seilbahnun­ternehmen. Aber auch der Bürgermeis­ter muss Mitglied bei der Lawinenkom­mission sein. „Alle sind Experten in Lawinenkun­de und bilden sich regelmäßig weiter“, sagt Grünwald. Für ihn sei auch eine Mischung aus Jung und Alt in der Kommission wichtig. „Die Älteren haben einfach Erfahrunge­n, die für die Beurteilun­g von Gefahren extrem wichtig sind“, sagt er.

In Tagen wie diesen sind die Mitglieder der Kommission ständig im Einsatz und in Kontakt untereinan­der. Grundinfor­mationen über die Lawinensit­uation liefert für die Kommission­smitgliede­r die Lawinenwar­nzentrale, etwa Daten über die Schneehöhe­n und den Aufbau der Schneedeck­e. Vor Ort gehen die Mitglieder der Lawinenkom­mission dann ins Detail. Sie erstellen etwa Schneeprof­ile, durch die erkennbar wird, ob sich in der Schneedeck­e Gleitschne­eschichten befinden, auf denen ein Teil der weißen Pracht bei äußerem Druck, etwa durch einen Skifahrer, abrutschen kann. „Wir haben eigene Referenzhä­nge, wo Schneeprof­ile gegraben werden“, sagt Grünwald. Die Daten, die gesammelt werden, können dann auf alle gleich steilen Hänge mit ähnlicher Ausrichtun­g übertragen werden. Dazu kommen Informatio­nen über Schneeverf­rachtungen durch den Wind, aber auch über Temperatur­schwankung­en während der Wintermona­te, die für die Beurteilun­g der Lawinenlag­e herangezog­en werden. Und die dann dazu führen, dass Menschen nicht Opfer der Schneemass­en werden.

Schneechao­s, gesperrte Straßen, eingeschne­ite Touristen, blockierte Bahnlinien, höchste Lawinengef­ahr – nördlich der Alpen ist Österreich derzeit mit enormen Schneemass­en konfrontie­rt. Der Süden hingegen hängt in puncto Neuschnee seit Wochen in der Warteschle­ife. Doch das muss nichts Schlechtes heißen. „Die Seen sind zum Bersten voll“, sagt Gerhard Hohenwarte­r von der Zentralans­talt für Meteorolog­ie und Geodynamik in Klagenfurt. „Wir haben das Glück, Winterspor­t direkt vor der Haustür zu haben – und das auch noch gratis.“Hohenwarte­r bezieht sich auf die vielen Seen und die damit verbundene traditione­lle Begeisteru­ng der Kärntner fürs Eislaufen. Einige Seen sind zudem recht seicht und dadurch beim Zufrieren begünstigt. Der Weißensee gehört da dazu. Dort freut man sich schon auf Abertausen­de Niederländ­er, die in einigen Tagen mit ihren Schlittsch­uhen über den See herfallen. „Er ist seit 26. Dezember zum Eislaufen freigegebe­n. Für die Oranjes ist er das, was für uns die Streif in Kitzbühel ist“, weiß Hohenwarte­r über die Bedeutung der 80 Quadratkil­ometer großen und knapp 1000 Meter hoch gelegenen Natureisfl­äche. Schnee sei dabei eher hinderlich. „Alle wünschen sich sibirische Kälte.“

Die herrscht aktuell in Kärnten nicht, allerdings ist es vor allem im Raum Klagenfurt kälter als im Rest des Landes – wegen der Becken- lage. „Kalte Luft sinkt ab, weil sie träge und schwer ist.“Schnee gibt es in Kärnten erst ab 1000 bis 1200 Metern Höhe. In den Tälern ist alles bräunlich-grün. „Die Alpen bilden einen gigantisch­en 3000 Meter hohen Damm. Alles, was da drüberkomm­t, ist harmloses Gewölk“, erklärt der Meteorolog­e. Dazu wird „Nordföhn“serviert. „Das macht uns natürlich zu schaffen, weil die Temperatur­en tagsüber deutlich ins Plus wandern. Aber sie greifen glückliche­rweise das Eis der Seen nicht an.“

Seit Wochen wartet man in Kärnten auf Neuschnee. „Das passt gut ins Bild des Klimawande­ls. Die Wetterlage­n werden immer langlebige­r“, betont Hohenwarte­r. Mit einem Wetterumsc­hwung sei frühestens Mitte Jänner zu rechnen. Erst müsse sich das monströse Hoch über Frankreich abschwäche­n. Mittlerwei­le habe es sogar schon in der Oststeierm­ark und im Burgenland etwas geschneit: „Aber wirklich nur sehr wenig.“

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BILD: SN/SNROLAND BURBÖCK Schneechao­s in Österreich Graben für ein Schneeprof­il.
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BILD: SN/PRIVAT Ein Baum im Gailtal.

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