Salzburger Nachrichten

Wolf Haas oder: Als die Oima Inglisch lernten

Manchmal muss der Mensch um Verzeihung bitten. Ich tue es. Hier und heute entschuldi­ge ich mich bei Wolf Haas.

- HEINZ.BAYER@SN.AT

„Das kann man nicht lesen. Der schreibt irgendwie – unlesbar.“Jahre meines Lebens brachte ich mich durch dieses Vorurteil um viel Lesefreude. Wo Wolf Haas ja überhaupst ein Eingeboren­er wäre! Er wurde 1960 in Maria Alm am Steinernen Meer geboren. Ja, sagen Sie es ruhig – in Mary Alp on the Stony Sea.

Heute lebt er in Wien. Als Weana mit Oima-Migrations­hintergrun­d. Und jetzt passiert mir das: Beim Buchhändle­r meines Vertrauens, dem Wirthmille­r in Saalfelden, liegt ein Stapel von diesem orangenen Ding. Also vom neuen HaasBuch. Mit dem Titel „Junger Mann“. Auf der Rückseite steht: „Und so kam es, dass ich in neun Wochen fünfzehn Kilo verlor und meine Unschuld.“Klingt nicht unschuldig – also sofort kaufen!

Kaum beginne ich zu lesen, entdecke ich, wie alles begann, mit Mary Alp. Wolf Haas ist, scheint’s, nicht unschuldig daran, dass d’ Oima so einen Spaß am Englischen haben. So schildert Haas, wie er als junger Mann die Elsa, eine Hauptfigur im Roman, das Englische lehrte. Ich zitiere: „Das meiste ist leicht.“– „Was heißt ,leicht‘?“– „Easy.“– „Mein Großvater hat auch Isi geheißen. Isidor. Aber der ist schon tot. Autounfall. Was heißt ,Auto‘?“– „Car.“– „Nur K?“– „Car.“– „K!“– „Das kannst dir leicht merken. Wie Karre.“– „Karr.“– „Genau.“

Auf vergnüglic­h zu lesenden 238 Seiten geht es straight ahead (greechnd) in die 1970erJahr­e. Haas schreibt: „Der amerikanis­che Schokolade­nfabrikant Mister Mars hatte hier auch eine Villa. Genauso wie der deutsche Bundespräs­ident Scheel und der Nazi Spitzy.“Als Sternsinge­r läutete Haas bei Mars an, wie er schreibt. „Aber er hat den Brauch nicht verstanden. Er hat kein Geld für die Hungernden in Afrika gespendet, sondern jedem von uns einen Kartonstie­fel geschenkt, in dem ein Mars, ein Milky Way, ein Nuts und ein Bounty waren. Jedem! Nicht einen für alle.“– „Habt ihr beim Spitzy auch geklingelt?“– „Der hat uns nicht aufgemacht.“– „Und der Scheel“– „Der war nicht da.“

Auf Seite 211 taucht dann der Raika-Hansl auf. Hans Herzog gilt als nicht unlegendär­er Direktor der Raiffeisen­kasse im Dorf. Der umtriebige Raika-Hansl war wohl auch im Hintergrun­d aktiv, als das erste Pinzgauer Chalet-Dorf entstand. In Hintermoos. Die Oima Aborigines (die Einheimisc­hen) sagen Schwammerl­siedlung dazu.

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