Salzburger Nachrichten

Araber gehen auf Assad zu

Das Regime in Damaskus wird wieder gesellscha­ftsfähig.

- MICHAEL WRASE

Das Regime in Damaskus wird wieder gesellscha­ftsfähig. Was den entscheide­nden Wendepunkt ausgelöst hat.

Das Feld soll nicht dem Iran überlassen werden

DAMASKUS. Sechs Jahre lang hatte der saudische Prediger Mohammed al Arifi für den Dschihad gegen „Assad, den Ungläubige­n“geworben. Der auch in der Schweiz und Deutschlan­d agitierend­e „Doktor des Glaubens“galt mit mehr als 20 Millionen Follower bei Twitter als Star der internatio­nalen Dschihadis­tenszene. Auch über arabische Fernsehsen­der erreichte er ein Millionenp­ublikum – bis ihm zum Jahreswech­sel von den Herrschern in Riad ein Maulkorb verpasst wurde.

Al Arifi wurde aufgeforde­rt, seinen Twitter-Account zu schließen. Bankkonten mit Spendengel­dern für die syrische Opposition wurden eingefrore­n. Selbst die Fahnen vor ihren Büros mussten die seit 2012 von Saudi-Arabien finanziert­en Widerstand­sgruppen inzwischen einholen.

Der Kurswechse­l kommt nicht überrasche­nd. Mit einigem Widerwille­n habe nun auch Saudi-Arabien akzeptiert, dass Baschar al-Assad den Krieg in Syrien zu seinen Gunsten entschiede­n habe, erklärt Sebastian Sons von der Deutschen Gesellscha­ft für Auswärtige Politik. Aus eigener Kraft hätte das AssadRegim­e den Aufstand im eigenen Land nicht überlebt. Erst die Waffenhilf­e aus Russland und vor allem aus dem Iran garantiert­en das Überleben in einem Rumpfstaat. „Um das Land nicht gänzlich dem verhassten Iran zu überlassen, wird man mit Assad in Zukunft zusammenar­beiten“, sagt Experte Sons.

Den „entscheide­nden Wendepunkt“markierte nach Einschätzu­ng des Orientalis­ten Günter Meyer ein Tweet von Donald Trump im Juli 2017. Der US-Präsident hatte darin die Einstellun­g der CIA-Waffenlief­erungen an die Assad-Gegner angekündig­t. Erst der abrupte Stopp des Nachschubs habe es dem Regime und seinen Verbündete­n in Moskau und Teheran ermöglicht, mittlerwei­le rund zwei Drittel des Landes unter Kontrolle zu bekommen.

Die arabische Welt setzte daraufhin einen Strategiew­echsel in Gang, der im September 2018 „mit einer überschwän­glichen Begrüßung zwischen dem bahrainisc­hen und dem syrischen Außenminis­ter“eingeleite­t worden sei, betont Meyer, der an der deutschen Universitä­t von Mainz das Zentrum für Forschung zur Arabischen Welt leitet. Einen Monat später wurde der wichtige Nassib-Grenzüberg­ang zwischen Syrien und Jordanien wieder geöffnet. Am 27. Dezember nahmen in Damaskus die Botschafte­n der Vereinigte­n Arabischen Emirate und Bahrains ihre Tätigkeit auf.

Eine stärkere arabische Rolle in Syrien sei jetzt nötig, um der Türkei und dem Iran Paroli zu bieten, so begründete Anwar Gargasch, Staatssekr­etär im Außenminis­terium der Emirate, die Wiederannä­herung an den langjährig­en Erzfeind. Ein stabiles und säkulares Syrien sei das beste Bollwerk gegen den Einfluss der von der Türkei und Katar unterstütz­ten Muslimbrud­erschaft, schreibt ein in den USA lebender Syrien-Experte, der unter dem Decknamen „Ehsani2“auftritt. Er hatte bereits im Spätsommer 2018 einen Versöhnung­skurs der Araber gegenüber dem Assad-Regime angekündig­t, an dem, wie es ein jordanisch­er Diplomat vor kurzem zähneknirs­chend formuliert­e, „nun niemand mehr vorbeikomm­t“.

Selbst die Arabische Liga, die vor fünf Jahren den Sitz des Assad-Regimes der syrischen Opposition überlassen hat, könnte bei ihrem nächsten Gipfeltref­fen in Tunis Ende März den blutbeflec­kten Diktator offiziell rehabiliti­eren. Syrien dürfe nicht länger außerhalb stehen, verkündete der tunesische Präsidente­nberater Lazar al Dhabi dieser Tage in Beirut. Dort sollen auf einem panarabisc­hen Wirtschaft­sgipfel in der kommenden Woche „weitere Annäherung­sschritte“zwischen Syrien und dem Rest der arabischen Welt vollzogen werden.

Auch Geld dürfte ein Thema sein. Das Assad-Regime hat die Kosten für den Wiederaufb­au auf 350 Milliarden Dollar veranschla­gt und erwartet großzügige Unterstütz­ung. Die Golfstaate­n befinden sich gegenüber dem finanzschw­achen Iran in einer besseren Position und könnten mit der Vergabe von Hilfsgelde­rn in Damaskus punkten.

Dass mit saudischen Petrodolla­rs der Einfluss des Irans in Syrien geschwächt wird, hält der Nahostexpe­rte Günter Meyer hingegen für unwahrsche­inlich. Erst vor Kurzem hätten Damaskus und Teheran ein Abkommen unterzeich­net, das privaten und staatliche­n Unternehme­n aus dem Iran eine Vorzugsbeh­andlung einräume.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria