Araber gehen auf Assad zu
Das Regime in Damaskus wird wieder gesellschaftsfähig.
Das Regime in Damaskus wird wieder gesellschaftsfähig. Was den entscheidenden Wendepunkt ausgelöst hat.
Das Feld soll nicht dem Iran überlassen werden
DAMASKUS. Sechs Jahre lang hatte der saudische Prediger Mohammed al Arifi für den Dschihad gegen „Assad, den Ungläubigen“geworben. Der auch in der Schweiz und Deutschland agitierende „Doktor des Glaubens“galt mit mehr als 20 Millionen Follower bei Twitter als Star der internationalen Dschihadistenszene. Auch über arabische Fernsehsender erreichte er ein Millionenpublikum – bis ihm zum Jahreswechsel von den Herrschern in Riad ein Maulkorb verpasst wurde.
Al Arifi wurde aufgefordert, seinen Twitter-Account zu schließen. Bankkonten mit Spendengeldern für die syrische Opposition wurden eingefroren. Selbst die Fahnen vor ihren Büros mussten die seit 2012 von Saudi-Arabien finanzierten Widerstandsgruppen inzwischen einholen.
Der Kurswechsel kommt nicht überraschend. Mit einigem Widerwillen habe nun auch Saudi-Arabien akzeptiert, dass Baschar al-Assad den Krieg in Syrien zu seinen Gunsten entschieden habe, erklärt Sebastian Sons von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Aus eigener Kraft hätte das AssadRegime den Aufstand im eigenen Land nicht überlebt. Erst die Waffenhilfe aus Russland und vor allem aus dem Iran garantierten das Überleben in einem Rumpfstaat. „Um das Land nicht gänzlich dem verhassten Iran zu überlassen, wird man mit Assad in Zukunft zusammenarbeiten“, sagt Experte Sons.
Den „entscheidenden Wendepunkt“markierte nach Einschätzung des Orientalisten Günter Meyer ein Tweet von Donald Trump im Juli 2017. Der US-Präsident hatte darin die Einstellung der CIA-Waffenlieferungen an die Assad-Gegner angekündigt. Erst der abrupte Stopp des Nachschubs habe es dem Regime und seinen Verbündeten in Moskau und Teheran ermöglicht, mittlerweile rund zwei Drittel des Landes unter Kontrolle zu bekommen.
Die arabische Welt setzte daraufhin einen Strategiewechsel in Gang, der im September 2018 „mit einer überschwänglichen Begrüßung zwischen dem bahrainischen und dem syrischen Außenminister“eingeleitet worden sei, betont Meyer, der an der deutschen Universität von Mainz das Zentrum für Forschung zur Arabischen Welt leitet. Einen Monat später wurde der wichtige Nassib-Grenzübergang zwischen Syrien und Jordanien wieder geöffnet. Am 27. Dezember nahmen in Damaskus die Botschaften der Vereinigten Arabischen Emirate und Bahrains ihre Tätigkeit auf.
Eine stärkere arabische Rolle in Syrien sei jetzt nötig, um der Türkei und dem Iran Paroli zu bieten, so begründete Anwar Gargasch, Staatssekretär im Außenministerium der Emirate, die Wiederannäherung an den langjährigen Erzfeind. Ein stabiles und säkulares Syrien sei das beste Bollwerk gegen den Einfluss der von der Türkei und Katar unterstützten Muslimbruderschaft, schreibt ein in den USA lebender Syrien-Experte, der unter dem Decknamen „Ehsani2“auftritt. Er hatte bereits im Spätsommer 2018 einen Versöhnungskurs der Araber gegenüber dem Assad-Regime angekündigt, an dem, wie es ein jordanischer Diplomat vor kurzem zähneknirschend formulierte, „nun niemand mehr vorbeikommt“.
Selbst die Arabische Liga, die vor fünf Jahren den Sitz des Assad-Regimes der syrischen Opposition überlassen hat, könnte bei ihrem nächsten Gipfeltreffen in Tunis Ende März den blutbefleckten Diktator offiziell rehabilitieren. Syrien dürfe nicht länger außerhalb stehen, verkündete der tunesische Präsidentenberater Lazar al Dhabi dieser Tage in Beirut. Dort sollen auf einem panarabischen Wirtschaftsgipfel in der kommenden Woche „weitere Annäherungsschritte“zwischen Syrien und dem Rest der arabischen Welt vollzogen werden.
Auch Geld dürfte ein Thema sein. Das Assad-Regime hat die Kosten für den Wiederaufbau auf 350 Milliarden Dollar veranschlagt und erwartet großzügige Unterstützung. Die Golfstaaten befinden sich gegenüber dem finanzschwachen Iran in einer besseren Position und könnten mit der Vergabe von Hilfsgeldern in Damaskus punkten.
Dass mit saudischen Petrodollars der Einfluss des Irans in Syrien geschwächt wird, hält der Nahostexperte Günter Meyer hingegen für unwahrscheinlich. Erst vor Kurzem hätten Damaskus und Teheran ein Abkommen unterzeichnet, das privaten und staatlichen Unternehmen aus dem Iran eine Vorzugsbehandlung einräume.