Salzburger Nachrichten

„Das Bundesheer gibt es praktisch nicht mehr“

Ein ehemaliger Verteidigu­ngsministe­r sieht schwarz. Und die Milizverbä­nde sehen das Heer beim Schneeräum-Einsatz bald am Ende.

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Sorgen um den Zustand des Heeres äußert der frühere Verteidigu­ngsministe­r Robert Lichal (ÖVP). „Das Bundesheer? Es ist nichts mehr da“, beklagt der ehemalige Ressortche­f. Das Heer sei auch nicht mehr im Bewusstsei­n der Bevölkerun­g verankert. Lichal verlangt daher: „Es braucht eine Wiederaufe­rstehung des Heeres.“

Während seiner Amtszeit von 1987 bis 1990 wurde die Miliz als Bauprinzip des Bundesheer­es in der Verfassung verankert. Seit der Abschaffun­g der verpflicht­enden Milizübung­en im Jahr 2006 sei dieses System aber tot, sagt Lichal.

Der Präsident der Milizverbä­nde, Brigadier Michael Schaffer, formuliert es noch drastische­r: „Das Bundesheer gibt es praktisch nicht mehr.“Bei der Migrationk­rise 2015/16 habe man nicht einmal mehr 2000 Mann an die Grenze stellen können. Auch bei den aktuellen Schneeräum-Einsätzen sei das Bundesheer schon an der Grenze seiner Kapazitäte­n, sagt Schaffers Vizepräsid­ent, Major Bernd Huber. „Die Personalre­serven des Militärkom­mandos Salzburg sind fast erschöpft“, berichtet er. Den Grund dafür sehen Lichal wie auch die Milizverbä­nde in einer falschen Richtung, die das Bundesheer eingeschla­gen habe. Statt eine Milizarmee zu schaffen, die nur bei Bedarf aktiv werde und dadurch kostengüns­tig sei, setze das Heer auf einen teils überaltert­en Berufskade­r, der 70 Prozent des Heeresbudg­ets verschling­e, aber nur geringe Mannstärke­n ermögliche.

Finnland mit seinem Milizsyste­m habe ein niedrigere­s Wehrbudget als Österreich, könne im Ernstfall aber ein zehn Mal größeres Heer aufbieten, sagt Schaffer. Schuld an der Fehlentwic­klung trage eine „kleine Clique“im Bundesheer, die von NATO und Berufsheer träume.

Österreich steuere mit Volldampf auf die nächste Debatte über die Abschaffun­g der Wehrpflich­t zu, sagt Major Huber. Denn ein Großteil der Grundwehrd­iener sei frustriert, weil sie nicht als Soldaten, sondern als Hilfskräft­e in Küche und Schreibstu­be eingesetzt würden. Außerdem, ergänzt Schaffer, sei die Wehrpflich­t völlig sinnlos geworden. Wozu solle das Bundesheer noch Rekruten ausbilden, wenn es sie danach nie wieder einberufen könne, fragt er.

Als Lösung schlagen Lichal und die Milizverbä­nde die Wiedereinf­ührung verpflicht­ender Truppenübu­ngen vor. Zweitens verlangen sie, dass die Tauglichke­itskriteri­en gesenkt werden. Derzeit werden 24 Prozent der Stellungsp­flichtigen untauglich geschriebe­n. „Sogar Profifußba­ller“, sagt Schaffer. Drittens fordern sie, dass ehrenamtli­che Tätigkeite­n bei Feuerwehr, Miliz etc. durch Pensionsbo­ni oder Ähnliches honoriert werden.

„Bundesheer? Es ist nichts mehr da.“ Robert Lichal, Ex-Minister

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